Zeichner Ralf König im GA-Inteview Herbst in der Hose

BONN · Der Kölner Zeichner Ralf König beschäftigt sich in einem neuen Buch mit den Wechseljahren des Mannes. Außerdem feiert er ein Jubiläum: Vor 30 Jahren erschien sein Bestseller „Der bewegte Mann“.

 Der bewegte Mann: Das Cover seines Bestseller s hat König zum Jubiläum in diesem Jahr mit einem Geburtstagsstrauß versehen

Der bewegte Mann: Das Cover seines Bestseller s hat König zum Jubiläum in diesem Jahr mit einem Geburtstagsstrauß versehen

Foto: Ralf König

Es darf gelacht werden, klar. König kostet auf 170 prallen Buchseiten viel Situationskomik aus. Er begibt sich aber auch dorthin, wo es richtig wehtut, ins Altersheim beispielsweise.

Ralf König zählt seit 30 Jahren zu den Ikonen der Schwulenbewegung. 1987 erschien sein Bestseller „Der bewegte Mann“. Der Stoff hat in den Neunzigern auch die deutschen Kinos mit Fans geflutet und kommt jetzt als Musical auf die Bühne. Kein Grund zum Greinen also. Oder doch? Mit Ralf König sprach Heinz Dietl.

GA: Herr König, ist „Herbst in der Hose“ ein autobiografischer Comic?

König: Zum Glück nicht ganz, ich musste durchaus noch einiges recherchieren. Aber klar bin ich in der Krise, das Altern ist eine harte Nuss. Ich habe da schon meine Ängste.

GA: Lassen sich solche Ängste einfach wegzeichnen?

König: Nun, ich habe mir dieses Thema ausgesucht und muss mich in Nachhinein nicht wundern, dass die Arbeit daran so unendlich lange gedauert hat. Seit 2010 war ich zugange, immer wieder mit Unterbrechungen, weil ich nicht weiterkam.

GA: Was hat die Arbeit erschwert?

König: Einige Recherchen fand ich zu frustrierend, das wollte ich gar nicht so genau wissen.

GA: Welche Themen haben Sie abgeschreckt?

König: Zum Beispiel die angebliche „Verringerung des Hodenvolumens“ im Alter. Das will kein Mann wissen! Nach der Info verschwand das Thema erst mal in der Schublade. Echt, es war eines der schwersten Bücher überhaupt.

GA: Sind Sie wenigstens zufrieden mit dem Resultat?

König: Ich bin überrascht und sehr froh, dass das Buch so gut ankommt. Hab' ich nicht erwartet.

GA: Warum denn nicht?

König: Ich dachte: Alternde Schwule, die auf dem Sofa sitzen und jammern – wen sollte das interessieren? Doch offenbar habe ich mit dem Thema einen Nerv getroffen, ob schwul oder nicht. Ist fast 'ne Art Lebenshilfe geworden.

GA: Altern schwule Männer anders?

König: Glaube ich nicht. Heterosexuelle Männer haben die gleichen Probleme. Doch wenn sie den üblichen Weg gehen mit Heiraten, Familie und Kindererziehung, dann machen sie sich einige Jahre vielleicht nicht so intensive Gedanken über den eigenen körperlichen Niedergang. Aber das kommt, früher oder später. Und dann mit Wucht.

GA: Sind in diesem Punkt also alle Männer gleich?

König: Ich kenne mich mit heterosexuellen Befindlichkeiten nicht gut aus. Ich will aber auch nicht über alle Schwulen schreiben, nur über mich und meinen Freundeskreis. Ich denke, wir hatten sehr lange Spaß mit unserer Sexualität, das gehört zum Genuss des Lebens. Aber dann kommt die Keule doch, bei mir mit 45, als ich mich nicht mehr wirklich jung fühlte.

GA: Was ist konkret passiert?

König: Die 40 fand ich schon komisch, die Zahl passte nicht zu mir. Ab 45 hatte ich keinen Bock mehr auf Karneval – wie meine Hauptfigur Paul. Diese Details sind durchaus autobiografisch.

GA: Paul passt nicht mehr in seine stramme Lederhose. Muss man Mitleid mit ihm haben?

König: Eher mit mir, ich hatte beim Zeichnen schlechte Laune.

GA: Wie kommt es, dass Pauls Lebenspartner Konrad in dieser Hinsicht weniger anfällig ist?

König: Auch das gibt es. Konrad ist gelassener, ich bin eher Paul, der Krisentyp. Noch kann ich für mich sagen: Es funktioniert ja alles, es ist nur nicht mehr so dringend. Aber allein das frustriert mich.

GA: Ihre Bücher vermitteln oft auch einen Einblick in die einschlägige Clubszene, vor allem in Köln. Reizt Sie das besonders?

König: Daran denke ich beim Zeichnen nicht. Das ist meine vertraute Welt, obwohl ich selten der Kneipentyp war. Ich mache meine Bücher nicht mit dem Kalkül, wer das dann liest oder versteht.

GA: Paul schleicht auf die Tanzfläche, reißt sich den Feinripp von der Brust – und keiner schaut hin. Frustrierend, oder?

König: Das passiert älteren Heterosexuellen in Läden mit Jungvolk auch. Es gibt ältere Schwule, die keine Hemmungen haben, mit nacktem Oberkörper auf die Tanzfläche zu gehen. Das find ich gut. Andere ziehen sich zurück und gehen nicht mehr aus, weil sie sich deplatziert fühlen.

GA: Es gibt gleich zwei Szenen im Seniorenheim. Was war Ihr Plan?

König: Ich wollte verschiedene Aspekte des Alters beleuchten. Einerseits Konrads verwirrte Mutter, andererseits Pauls Vater, der weiterhin seine sexuellen Bedürfnisse hat. Die Umgangsformen und die Reaktionen von Personal oder Angehörigen habe ich aus Berichten von Betroffenen oder Pflegern.

GA: Wie macht man aus solchen Berichten einen Comic?

König: Das Problem lag darin, den richtigen Ton zu finden. Ich wollte realistisch bleiben und mit dem Humor nicht zu derb werden. Ein sensibles Thema, es geht um Würde. Auch bei mir ist es ja nicht mehr so lange hin.

GA: Das sagen Sie mit 57?

König: Geht doch schnell, in zehn Jahren bin ich 67! Und danach irgendwann sitzt man im Altenheim. Man ist zwar im Kopf immer noch der, der man war. Aber man sitzt im Sessel, und das Personal stellt einem den Magen-Darm-Tee auf den Tisch.

GA: Am Ende des Buches blicken Sie in die Zukunft. Paul und Konrad feiern den 50. Jahrestag ihrer ersten Begegnung. Was war die Intention?

König: Ich wollte nicht mit dem völlig deprimierten Paul aussteigen, sondern beide Männer im hohen Alter zeigen, wie sie trotzdem noch ganz gut drauf sind. Die schrauben da rum, machen irgendwas mit Viagra, das hat etwas Tröstliches. Es läuft zwar nicht mehr so energiegeladen wie einst, aber die beiden lieben sich.

GA: Konrad und Paul tauchen in mehreren Ihrer Bücher auf. War’s das jetzt mit den beiden?

König: Es liest sich vielleicht wie ein Ende, aber das war nicht meine Absicht. Ich bin der Gott meiner Geschöpfe. Ich kann jederzeit mit Paul und Konrad wieder auf Zeitreise gehen. Was aber auserzählt ist, sind die Geschichten mit dem jungen Paul, der irgendwelchen behaarten Kerlen hinterher hechelt.

GA: Sie erlebten vor 30 Jahren den großen Durchbruch mit dem Buch „Der bewegte Mann“. Feiern Sie das Jubiläum?

König: Es gibt bald eine Musical-Fassung in Hamburg, die ich allerdings noch nicht kenne. Das ist seit einigen Jahren im Gespräch, ich habe die Produzenten damals in Berlin getroffen. Musical ist eigentlich nicht mein Ding, aber ich bin sehr gespannt. Und es gibt aktuell noch den Jubiläumscomic.

GA: Was hat es damit auf sich?

König: „Der bewegte Mann“ mit Anhang. Ich habe unter anderem mit Joachim Kròl über seine damalige Rolle im Film gesprochen und einen neuen Kurzcomic gezeichnet, der zeigt, was aus Norbert und Waltraud 30 Jahre später geworden ist.

GA: Das Thema „Ehe für alle“ ging vergangene Woche durch den Bundestag. Ihr Kommentar?

König: War klar, dass nicht alle Abgeordneten dafür stimmen würden. Aber die taktischen Begleiterscheinungen fand ich unschön. Natürlich bin ich froh über das Ergebnis, ich hoffe nämlich, dass man bald einfach nicht mehr über das Thema redet. Ich konnte es nicht mehr hören, dieses peinliche, endlose Gerangel um gar nichts, um Dinge, die im Alltag längst normal sind!

GA: Sie sind zurzeit auf einer Lesereise. Warum lesen Sie nicht in Bonn oder Köln?

König: Tja, wenn man mich in Köln oder Bonn bucht, dann lese ich auch. Viele Theaterbühnen tun sich schwer, weil sie sich unter einer Comic-Lesung nicht viel vorstellen können. Dabei ist es ein großer Spaß, wenn die Bude voll ist.

GA: Wie sind Ihre Lesungen dramaturgisch aufgebaut? Was kommt alles zum Einsatz?

König: Ich zeige die einzelnen Bilder auf der Leinwand und lese die Sprechblasen vor. Da ich eine Rampensau bin, verstelle ich die Stimme und spreche dann zum Beispiel Pauls Schwester, die hysterische Edeltraut. Das geht zwar etwas auf die Stimmbänder, macht aber tierisch Spaß.

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