Neu im Kino: "Good Time" Gangster im Dauerstress

Hollywoodstar Robert Pattinson brilliert im dreckigen Krimi „Good Time“. Es geht diesem bewusst dreckigen Krimi nie um klassische Spannung, wohl aber um physische Intensität bis zum Zerreißpunkt.

 Überdosis an Desaster: Robert Pattinson als Kleingangster Connie. FOTO: DPA

Überdosis an Desaster: Robert Pattinson als Kleingangster Connie. FOTO: DPA

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Es beginnt verheerend und wird immer schlimmer. Aus fataler Bruderliebe spannt Kleingangster Connie (Robert Pattinson) den geistig zurückgebliebenen Nick (Ben Safdie) als Bankraubkomplizen ein. Beide bleiben zu lange im Kassenraum, und als sie mit überschaubarer Beute knapp entkommen, platzt im Fluchtwagen die Farbpatrone. Also mit pink verfärbten Klamotten zu Fuß weiter, doch Nick rennt durch eine Glasscheibe, wird verhaftet und seine Befreiung zur zusätzlichen Bürde für den flüchtigen Connie.

Diese Überdosis an Desaster pressen die Brüder Ben und Josh Safdie in die erste Viertelstunde ihres New-York-Thrillers „Good Time“, der den Zuschauer sofort in den Schwitzkasten nimmt und bis zum Schluss nicht locker lässt. Alles spielt auf der wurmstichigen Seite von Big Apple – unter Dealern und zwielichtigen Kautionsbürgen, zwischen schäbigem Krankenhaus und vergammeltem Vergnügungspark.

Gut möglich, dass manchen die nervöse Energie dieses Films kirre macht. Keine gepflegt-glamouröse Spannung wie bei „Ocean's Eleven“ – stattdessen ein Rinnsteinrealismus, der an Martin Scorseses „Hexenkessel“ erinnert oder an Sidney Lumets fiebrige „Hundstage“. Der lethargische Nick und der hektische Connie laufen auf völlig unverträglichen Drehzahlen, und ihre Story spult sich ab wie eine überdrehte und dann blitzschnell entspannte Feder. Familiäre Hintergründe: Fehlanzeige; Dialoge: Mangelware. Stattdessen klaustrophobische Nahaufnahmen, harte Schnitte und der peitschende Elektro-Soundtrack von Oneohtrix Point Never. Die Dramaturgie krallt sich ins Hier und Jetzt, und der frühere „Twilight“-Vampir Robert Pattinson gibt Connie mit Flackerblick aus rotgeränderten Augen eine irre Unberechenbarkeit

Das macht ihn noch lange nicht zur Identifikationsfigur, doch wenn er immer tiefer in einen Tunnel rasant schwindender Optionen rennt, kann man längst nicht mehr wegschauen. Pattinson bietet hier pures Körperkino, das aus jeder Pore Stress ausschwitzt.

Hoffnung blitzt immer nur kurz auf, denn Connies kaputte Ex-Freundin Corey (Jennifer Jason Leigh) ist noch neurotischer als er, und ihre Kreditkarte streikt im entscheidenden Moment. Als dann mit dem kriminellen Verlierer Ray (Buddy Duress) noch ein weiterer Unheilsgarant ins Spiel kommt, treten die Safdie-Brüder das Gaspedal auf dieser Höllenfahrt fast ins Bodenblech. Das all dies böse enden wird, war von Anfang an klar. So geht es diesem bewusst dreckigen Krimi nie um klassische Spannung, wohl aber um physische Intensität bis zum Zerreißpunkt. „Good Time“ macht keine Gefangenen.

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