Kulturkooperation Die Rivalität gemeinsam begraben

Köln/Düsseldorf · Die Schauspielhäuser von Köln und Düsseldorf tauschen in der Interimsphase Produktionen aus

 Befreundete Kollegen seit mehr als 20 Jahren: Düsseldorfs Intendant Wilfried Schulz (l.) und Stefan Bachmann.

Befreundete Kollegen seit mehr als 20 Jahren: Düsseldorfs Intendant Wilfried Schulz (l.) und Stefan Bachmann.

Foto: vielz

Wir sind volljährig“, scherzt Wilfried Schulz und meint die mehr als 20-jährige kollegiale Künstlerfreundschaft mit Stefan Bachmann. Mit diesem „jungen, begabten, aufstrebenden Regisseur“ hat er in den 90ern als Chefdramaturg des Hamburger Schauspielhauses gearbeitet, später lud er ihn in seiner Dresdner Intendanz als Regiegast ein, und man realisierte die an Rhein und Elbe gezeigten „Lehman Brothers“.

Seit Spielzeitbeginn leitet Wilfried Schulz das Düsseldorfer Schauspiel und sagt mit seinem Kölner Kollegen der „abgeschabten Rivalität und blödsinnigen Konkurrenz“ (Schulz) der Nachbarstädte den Kampf an. Er übernimmt für vier bis acht Aufführungen Bachmanns „Geschichten aus dem Wiener Wald“, im Gegenzug hat Gogols „Revisor“ (siehe links) Köln-Premiere.

Ist so ein Tausch zwischen Nachbarbühnen sinnvoll? „Unbedingt“, glaubt Bachmann, „denn anders als bei ,Lehman Brothers‘ teilen wir uns keine Produktion, sondern bereichern einander um je ein Stück.“ Schulz ergänzt: „Außer Kritikern und Theaterfreaks setzt sich doch kaum jemand in den Zug oder ins Auto, um Theater in der anderen Stadt anzuschauen.“

Bei den Stücken hat man laut Bachmann „nach einer Genre-Ähnlichkeit gesucht, denn wir wollen nicht den ,Revisor‘ gegen ,Hamlet‘ tauschen. Der Gogol gibt uns eine Farbe, die wir so nicht im Spielplan haben“. Jedes Haus trägt seine Kosten, wobei die Schauspieler ja nicht auswärts übernachten.

Und wie klappt der Transfer in die jeweils fremde Behelfsspielstätte? Kölns Intendant: „Unser Purismus im ,Wiener Wald‘ ist trügerisch, denn wir benutzen eine extra angefertigte Drehscheibe, da wir keine Drehbühne haben.“ Die Scheibe wandert ins Central, wo Schulz den „Revisor“ ähnlich angelegt sieht: „Da gibt es die hängende Wand, die alles Mögliche kann, was sie in Köln nicht alles können wird, und darunter die fast unbemerkte Drehscheibe, die Slapstickeffekte erzeugt.“ Leider nicht im Depot, „aber unsere Schauspieler werden Spaß daran haben, das zu kompensieren“.

Bachmann beneidet den Kollegen um die bessere Technik. Doch der musste sich mitten im Kraftakt des Intendanzstarts Überlegungen des OB Thomas Geisel stellen, das Stammhaus am Gründgens-Platz womöglich abzureißen, um ein Kongresszentrum zu errichten. Wilfried Schulz will dazu zunächst schweigen, aber Stefan Bachmann springt ein: „Als ich das gehört habe, hat es mich schon aus den Latschen gehauen. Das ist eine miese Nummer, die gar nicht geht, und ich habe sofort Hilfe angeboten.“

Schulz sagt dann doch etwas Generelles: „Man muss immer darüber reden, ob etwa Tariferhöhungen am Theater ausgeglichen werden können. Aber man muss aufpassen, dass bestimmte Tabus nicht gebrochen werden. Dazu gehört für mich, die Institution Stadttheater in ihrer künstlerischen und gesellschaftlichen Wertigkeit infrage zu stellen, die bei uns als Landeshauptstadt noch dazu vom Land mitgetragen wird.“ Immerhin: „Nach einem beeindruckenden Bekenntnis der Bevölkerung zur Immobilie wie zu unserer gerade beginnenden Theaterarbeit scheint sich eine einvernehmliche Zukunftsperspektive für das Haus zu entwickeln.“

Bachmann plädiert dafür, „dass die Politiker hierzulande von diesen Trump-ähnlichen Schnell-Tweets wegkommen und sich seriös entschleunigen. Sonst ist das Populismus“.

Sein Düsseldorfer Kollege glaubt: „Die Politik wird angesichts der sich spaltenden Gesellschaft erkennen, dass Kunst und Kultur zu den raren Räumen gehören, in den man Positionen gegeneinanderstellen kann, ohne sich den Schädel einzuschlagen“. Beide wollen über den rauen Charme der Hallen nicht vergessen, „dass dieses Interim auf die Knochen der Mitarbeiter geht“, sagt Schulz. „Wir versuchen, es leicht aussehen zu lassen“, ergänzt Bachmann, „trotzen aber den Theateralltag großen Widrigkeiten ab.“

Leidensgenossen halten zusammen: Der Austausch je einer Produktion ist auch für die nächste Saison vereinbart. „Aber wir haben auch schon verrückte Gedanken gesponnen, etwa einmal ein Schiff mit einer Produktion rheinauf- oder -abwärts fahren zu lassen“, erklärt Schulz, der noch „spielerischere Möglichkeiten der Kooperation“ sieht.

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