"Reden ist die Lösung" Comedian Abdelkarim im GA-Interview

BONN · Der Bielefelder Comedian Abdelkarim gibt im März ein Gastspiel im Bonner Brückenforum und hat anschließend einen Einsatz bei Oliver Welke in der ZDF-"Heute-Show". Mit ihm sprach Heinz Dietl.

 Comedian Abdelkarim: „Wortkünstler war ich schon immer – die klassische Karriere als Klassenclown. Andere hatten coole Klamotten, ich die coolen Sprüche“

Comedian Abdelkarim: „Wortkünstler war ich schon immer – die klassische Karriere als Klassenclown. Andere hatten coole Klamotten, ich die coolen Sprüche“

Foto: Guido Schröder

GA: Sie wurden im Januar mit dem Fernsehpreis ausgezeichnet. War die Überraschung groß?

Abdelkarim: Ja, sehr groß. Ich hatte mich schon über die Nominierung riesig gefreut.

GA: Sie hatten in der Sendung den Politiker Jens Spahn mit einem jungen Afghanen konfrontiert, der abgeschoben werden sollte. Lief alles nach Plan?

Abdelkarim: Jens Spahn hatte ich eigentlich als Hardliner eingeschätzt, beim Dreh war er ziemlich entspannt und hat sich konzentriert mit den Problemen des jungen Afghanen auseinandergesetzt. Hie und da war er mit seinem Latein allerdings am Ende.

GA: Was meinen Sie konkret?

Abdelkarim: Spahn hat durchaus gemerkt, dass seine Einschätzung der Flüchtlingssituation in der Praxis nicht mehr Bestand hat, wenn er sich mit einem Betroffenen unterhält. Gut, der junge Afghane hat in diesem Fall keinen rechtlichen Anspruch auf Anerkennung, doch aufgrund des persönlichen Schicksals hielt auch Jens Spahn eine Ausnahmeregelung für wünschenswert.

GA: Ist der CDU-Politiker Jens Spahn reif für höhere Weihen?

Abdelkarim: Er kokettiert bekanntlich mit der Option, nächster Kanzlerkandidat zu werden. Ich wage keine Prognose. Er wird sicherlich ein hohes CDU-Tier, aber Kanzlerkandidat? Oder Kanzler?

GA: Wie beurteilen Sie die Regierungsfindungsbemühungen seit der Bundestagswahl?

Abdelkarim: Es erinnert mich an eine schlechte Fernsehserie. „GZSZ“ als Mafia-Special mit smarten Unterhändlern, die ihr Stück vom Kuchen einfordern. Jamaika war noch harmlos, der Höhepunkt kam dann mit Martin Schulz – als Zeuge Jehovas, der keine Tür mehr findet.

GA: Dabei wurde Schulz mit 100 Prozent gewählt.

Abdelkarim: Der Knaller, von 100 auf null in dieser kurzen Zeit. Alle Achtung!

GA: Im neuen Bühnenprogramm geht Abdelkarim der Frage nach, ob er nun ein deutscher Marokkaner oder ein marokkanischer Deutscher ist. Haben Sie die Antwort gefunden?

Abdelkarim: Wer ist man? Als Kind war die Frage unwichtig, man ist einfach aufgewachsen. Irgendwann war es ein Thema. Aber die Antwort variiert, denn sie hängt davon ab, wer gerade vor der Tür steht.

GA: Kommen Sie von selbst nicht auf eine Antwort?

Abdelkarim: Nicht wirklich. Ich kann mich als Urdeutscher fühlen, die Frage aber bleibt, ob andere Personen das auch so sehen. Wenn ich in den Zug steige und die Leute plötzlich ihre Handtaschen festhalten, kann ich mich nicht wie irgendein Sascha fühlen.

GA: Sondern?

Abdelkarim: Manchmal mache ich mir einen Spaß und halte meine eigene Tasche ebenfalls demonstrativ fest.

GA: Sie kolportieren in Ihrem Programm, Sie seien „ein Deutscher gefangen im Körper eines Grabschers“. Was will uns der Künstler damit sagen?

Abdelkarim: Nach der Kölner Silvesternacht haben die Menschen mit Marokkanern nicht mehr nur „Terror“ oder „Diebstahl“ assoziiert, sondern auch „Antanzen“. Für mich war das ein neues Lebensgefühl, obwohl ich nicht wie ein schlanker Antänzer aussehe. Ich habe zwar den marokkanischen Hintergrund, aber nicht die Idealfigur.

GA: Was wissen Sie über Marokko?

Abdelkarim: Ich bin fast jedes Jahr dort. Ein cooles Land mit allen Vor- und Nachteilen eines Dritte-Welt-Landes.

GA: Ist Marokko ein sicheres Herkunftsland?

Abdelkarim: Marokko ist nicht Syrien. Viele Deutsche machen Urlaub dort und kommen heil wieder zurück. Alles in allem würde ich sagen, es ist ein sicheres Herkunftsland. Allerdings gibt es Marokkaner, die sich dort nicht sicher fühlen, zum Beispiel weil sie schwul sind.

GA: Warum kommen Marokkaner nach Deutschland?

Abdelkarim: Meine Eltern kamen, um hier zu arbeiten. Die meisten Marokkaner bleiben in Frankreich hängen, mein Vater ist weitergefahren bis nach Bielefeld.

GA: Eine Stadt, von der man behauptet, dass es sie gar nicht gibt.

Abdelkarim: Das hört man immer wieder. Irgendwas läuft dort beim Stadtmarketing wohl schief. Es gibt das Gerücht, dass der Bürgermeister gestreut habe, Bielefeld gäbe es nicht – damit die Rumänen nicht kommen.

GA: Sie behaupten sogar, Sie seien in der Bielefelder Bronx aufgewachsen. War’s so schlimm?

Abdelkarim: Mein Stadtteil Senne war wie die Bronx, nur ohne Waffen. Kein sozialer Brennpunkt wie Baumheide, aber doch ein hoher Migrantenanteil.

GA: Wie wurde aus dem kleinen Abdelkarim ein Wortkünstler auf dem Weg zur ersten Million?

Abdelkarim: Erste Million? Schön wär’s. Aber Wortkünstler war ich schon immer – die klassische Karriere als Klassenclown. Andere hatten coole Klamotten, ich die coolen Sprüche. Freunde haben mir geraten, Comedy zu machen, ich sei so lustig. Ich habe viele Insidergeschichten erzählt, die dann später an der Uni auch gut ankamen.

GA: Sie haben ein paar Semester Jura studiert. Reicht das Wissen, um eine Verleumdungsklage abzuschmettern?

Abdelkarim: Kommt auf die Qualität des gegnerischen Anwalts an. Kurz vor dem Examen habe ich abgebrochen. Mein Rechtsverständnis wurde im Studium trotzdem geprägt.

GA: In welchen Momenten merken Sie das?

Abdelkarim: Wenn es um besonders spektakuläre Verbrechen geht, neigt der Nichtjurist dazu, drakonische Strafen zu fordern. Der Jurist wiederum beurteilt erst mal die Rechtslage – und steht schnell als eiskalter Typ da, der die Täter verteidigt. Jura und gesunder Menschenverstand sind nicht immer deckungsgleich.

GA: Im Programm erklären Sie, Sie hätten sich um den „Gesellschaftsteilnahmeschein“ bemüht und es geschafft. „Abdelkarim ist der wichtigste Mann in Deutschland. Er ist der Staatsfreund Nr. 1“! Wird also alles gut?

Abdelkarim: Man muss auf die Menschen auch zugehen. In den Nachrichten kommen Muslime meistens dann vor, wenn sie auffällig waren. Und wer persönlich keine Muslime kennt, der glaubt schnell, es seien alle so.

GA: Was lernen wir daraus?

Abdelkarim: Man sollte sich auch als Muslim um den Teilnahmeschein an der Gesellschaft bemühen, auf die Menschen zugehen und zeigen: Wir können mehr, als nur an der Zündung ziehen.

GA: Sehen Sie sich als Moderator zwischen den Kulturen?

Abdelkarim: Richtig. Es gibt diese Gemütszustände in Deutschland. Man sollte auf einander zugehen. Entscheidend im Zusammenleben sind nicht Hautfarbe, Schnurrbart oder Augenbraue, sondern das Verhalten der Menschen. Reden ist die einzige Lösung.

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