Kommentar Nahost - Selbstquälerei

Am Freitag ist einer der Initiatoren der Oslo-Abkommen gestorben, Ron Pundak. Und die israelische Linke erinnert daran, dass es einmal vor 20 Jahren im Nahen Osten Menschen mit Visionen und Hoffnungen gab, die zu wirklichen Kompromissen bereit waren, um ein Zusammenleben von Israelis und Palästinensern möglich zu machen.

Der 59-jährige Pundak hatte bis zum Schluss unermüdlich für einen endgültigen Friedensschluss geworben, und sein früher Tod ist für jene Israelis, die sich Frieden mit den Palästinensern lieber heute als morgen wünschen, auch deshalb schmerzlich, weil die offizielle Politik eher in die entgegengesetzte Richtung steuert. In zwei Wochen wollte US-Außenminister John Kerry die Friedensverhandlungen zum erfolgreichen Abschluss bringen. Inzwischen wäre es schon ein Erfolg, wenn diese nicht völlig ergebnislos im Sande verlaufen.

Längst sieht es so aus, als ob der Patient nur noch mit der Beatmungsmaschine am Leben gehalten wird. Ende März hätte Israel nach einem im vergangenen Juli vereinbarten Zeitplan eine letzte Gruppe palästinensischer Gefangener freilassen müssen, doch dazu kam es nicht. Die Israelis zögerten, weil auch arabische Israelis auf der Gefangenenliste waren. Als die Israelis schließlich neue Wohnungen für Juden im arabischen Ostjerusalem ausschrieben, trumpften die Palästinenser mit 15 vorbereiteten Aufnahmeanträgen für internationale Verträge und Organisationen auf.

Kerrys Hingabe an diese Verhandlungen grenzt inzwischen an Selbstquälerei. Zwei Dinge fallen auf: Nach dem, was bisher bekannt geworden ist, sind die USA den Israelis weit entgegengekommen, was Israel aber nicht dazu bewegt hat, sich sehr kompromissbereit zu zeigen. Öffentlich hat sich Palästinenserpräsident Mahmud Abbas flexibler gegeben als Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Trotzdem glaubt die israelische Regierung, bei einem Scheitern der Gespräche Abbas die Schuld geben zu können. Das beliebte Schwarze-Peter-Spiel hat Kerry bereits durchkreuzt und damit die israelische Rechte zur Weißglut gebracht: Er hat angedeutet, dass in seinen Augen die harte Haltung der israelischen Seite das größere Hindernis für einen Frieden sei. Schon jetzt haben sich die Beziehungen zwischen Israel und den USA merklich abgekühlt. Dauerhaft leiden aber wird das Verhältnis, sollte Kerry am Ende mit leeren Händen dastehen.

So muss sich Netanjahu entscheiden, ob ihm seine Koalition mit ihrem starken rechten Rand wichtiger ist oder ob er notfalls auf den Siedlerfürsprecher Naftali Bennett vom "Jüdischen Heim" verzichtet. Dessen Drohungen nimmt inzwischen zwar kaum jemand richtig ernst. Aber es ist immer gut, alternative Partner zu haben. In der Arbeitspartei könnte Netanjahu diesen Partner finden.

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