Kommentar Krise in der Ukraine - Schicksalstage

Europa muss Farbe bekennen. Wenn am Donnerstag die wichtigsten Gesprächspartner in der Ukraine-Krise zum ersten Mal zusammentreffen, geht es um viel: um die Glaubwürdigkeit Moskaus, um die Stabilisierung der Ukraine, um die Glaubwürdigkeit der EU.

Die Außenamtschefs der Gemeinschaft haben sich am gestrigen Montag klugerweise zurückgehalten, haben sich - anders als noch bei dem Aufstand auf dem Maidan - nicht sofort festgelegt, wer im Osten des Landes provoziert und wer "nur" zurückschlägt. Zu kostbar sind ein paar erste Signale der russischen Führung, die daraufhin deuten könnten, dass man sich von dem Mob distanziert, der die Ukraine sprengen will.

Zu wichtig sind auch die Andeutungen Moskaus, nicht mit dem Gashahn zu spielen. Europa weiß, was es riskiert, wenn es nun vorschnell die Schraube der Sanktionen weiter anzieht.

So lange es keine verlässlichen Informationen über die Lage vor Ort gibt, tut man gut daran, sich nicht festzulegen. Denn der nächste Schritt würde bedeuten, die russische Wirtschaft durch schmerzhafte Sanktionen ernsthaft zu beschädigen.

An diese Stelle gehört natürlich der Appell an den Kreml, den Bogen nicht zu überspannen, auch von seiner Seite aus deutlich zu machen, welche Politik man eigentlich verfolgt. Und wer in wessen Namen handelt. Doch das Risiko ist groß, dass Präsident Wladimir Putin seine Unabhängigkeit demonstrieren und Stärke zeigen will, selbst wenn er die nicht hat. Beide Seiten haben sich in eine Lage manövriert, die sie nur durch Nachgeben einigermaßen normalisieren könnten. Europa sollte nicht so tun, als könne man eine russische Revanche schadlos überstehen.

Russland muss wissen, dass ein erfolgloses Treffen der Außenminister aus Moskau, Washington und Kiew sowie der EU-Außenbeauftragten aus Brüssel am Donnerstag schweren Schaden anrichten würde. Auch für das Land selbst.

Der Eindruck, Putins Politik werde von allen Russen als Ausdruck nationaler Stärke verstanden, täuscht. Der Präsident mutet seinen Landsleuten, die ohnehin unter großen ökonomischen Problemen leiden, mehr zu, als sie mitzutragen bereit sind - nicht für einen außenpolitischen Schein-Erfolg, bei dem Moskau sich ein wirtschaftliches Sorgenkind mehr ans Bein bindet. Anstatt das eigene Land zu sanieren.

Die EU hat gestern viel getan, um Kiew eine Perspektive zu geben. Der Beschluss, den eigenen Markt großzügig und durch Wegfall aller Zölle zu öffnen, ist ein großes Entgegenkommen. Dies war wichtig, um dem Land so etwas wie eine Chance zu geben und vielleicht die letzten Skeptiker auch noch davon zu überzeugen, dass eine europäische Ausrichtung etwas anderes ist als russisches Vasallentum.

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