Leitartikel Familienpolitik der CDU - Wie das Splitting spaltet

Auf dem ersten Blick sieht es wie eine kleine Sensation aus: Ausgerechnet eine CDU-Landesvorsitzende stellt das Ehegattensplitting, das den Unionsparteien jahrzehntelang heilig war, grundsätzlich in Frage.

Doch tatsächlich hat Julia Klöckner nur eine gerne vergessene Passage aus dem Grundsatzprogramm ihrer Partei zitiert, weshalb sie sich jederzeit auf die "geltende Beschlusslage" zurückziehen kann.

Brisant ist nicht, was Klöckner gesagt hat, sondern dass sie es jetzt gesagt hat. Jetzt nämlich wird in Union und Bundesregierung über die steuerliche Gleichstellung von Ehen und "Homo-Ehen" gestritten. Jetzt ist somit eine gute Gelegenheit, das Ehegattensplitting umfassend zu überdenken.

Dumm nur ist, dass das der Bundeskanzlerin jetzt, ein Jahr vor der Bundestagswahl, ganz und gar nicht passen dürfte. Der Begriff "Familiensplitting" ruft schon seit Jahren bei allen, die regieren oder regieren wollen, heftige Abwehrreaktionen aus: weil man mit einer solchen steuerpolitischen Relativierung der Ehe die Kirchen verärgern, das Bundesverfassungsgericht herausfordern, kinderlose Eheleute verprellen, den Bundeshaushalt massiv belasten würde und und und. Dabei spricht viel gegen die geltende Regelung und für eine wie auch immer geartete Familienkomponente.

Das Ehegattensplitting setzt falsche Anreize. Es unterscheidet nicht zwischen Familien mit und ohne Kindern, obwohl Kinder das real verfügbare Einkommen der Eltern reduzieren, was nach den Prinzipien der Steuergerechtigkeit einen geringeren Steuersatz zur Folge haben sollte. Zudem steigt der Steuervorteil, je größer die Einkommensunterschiede der Ehepartner sind. Oft ist es gerade für Frauen deswegen steuerlich nicht attraktiv, arbeiten zu gehen.

Nun kann es nicht darum gehen, Eheleute zu diskriminieren, die kinderlos geblieben sind. Warum der Staat allerdings einen Trauschein beim Splitting subventioniert (womöglich künftig erweitert um die Homo-Ehe), Kinder aber nicht, erschließt sich nicht. Im CDU-Programm ist aus gutem Grund von einer Erweiterung des Ehegattensplittings die Rede, nicht von dessen Abschaffung. Wahr ist aber auch: Um ein Familiensplitting zu finanzieren, müssten die Steuersätze insgesamt angehoben werden. Niemand will damit in den Wahlkampf gehen - auch die SPD nicht.

Die verweist lieber darauf, dass ein Familiensplitting unsozial sei, weil wohlhabende Familien überproportional entlastet würden - ein Argument, das nur gilt, wenn die Steuersätze unverändert blieben. Stattdessen will die SPD lieber die Union in Sachen Homo-Ehe treiben und merkt nicht, dass sie das geltende Ehegattensplitting dadurch zementiert. Das Ergebnis: Lebensgemeinschaften ohne Trauschein, egal ob kinderlos oder nicht, ob homo- oder heterosexuell, hätten auf Jahre hinweg weiter das Nachsehen.

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