Georg Elben: "Wir waren ziemlich mutig"

Bonner Videonale-Chef über Vergangenes, Perspektiven und eine Woche Film-Gucken im Post Tower

Georg Elben: "Wir waren ziemlich mutig"
Foto: Franz Fischer

Bonn. In der kommenden Woche startet im Kunstmuseum Bonn die Videonale 12, Deutschlands ältestes Videofestival, das jetzt 25 Jahre alt wird (26. März bis 26. April). Das Medium sei erwachsen geworden, sagt Georg Elben, der seine inzwischen dritte Videonale leitet. Mit ihm sprach Thomas Kliemann.

General-Anzeiger: Bei der ersten Videonale vor 25 Jahren in Bonn waren Sie Abiturient. Spielte damals Video in Ihrem Leben eine Rolle?

Georg Elben: Nein, Video war damals für mich kein Thema. Erste Eindrücke kamen später, im Kunstmuseum an der Rathausgasse, wo Klaus Schrenk im Nachgang zur Videonale regelmäßig Veranstaltungen anbot. Meinen ersten Vortrag bei der Videonale habe ich 1996 über Klaus vom Bruch gehalten. Ich wurde Mitglied im Videonale-Verein, kam 2003 in der Umbruchphase in den Vorstand.

GA: Was ist denn in den letzten 25 Jahren passiert? Oder, anders gefragt, was ist von der guten alten Videokunst geblieben?

Elben: Videokunst hat sich wie die übrige Kunst entwickelt, auf der anderen Seite ist aber auch vieles stabil geblieben. Es hat Moden gegeben, wie das Expressive in den 80er Jahren. Die technische Entwicklung hat das Medium ungemein geprägt. Am Anfang gab es viel Experimentelles auf dem Feld der Digitalisierung oder der Farbe. Das ist fast verschwunden, es sei denn, es wird eingesetzt für eine ganz bestimmte künstlerische Intention. Heute geht man bewusster mit Video um. Das Medium ist gewachsen, es ist erwachsen geworden.

GA: In der Jubiläums-Videonale blicken Sie unter dem Titel "Review" mit prominenten Wegbegleitern zurück. Doch im Mittelpunkt stehen Aktualitäten und der Wettbewerb. Wie war das Echo?

Elben: Wir hatten mehr Einsendungen als sonst, insgesamt 1 445 Videos, viele aus dem Ausland. Nur noch ein Drittel der Beiträge kommt aus Deutschland. Es ist ein junges Festival: Die meisten Einsendungen kommen aus den Jahrgängen 1979 bis 1982.

GA: Welche Kriterien hatte die Jury? Wie grenzen Sie sich ab? Es heißt, "Videokunst" sei wenig mehr als ein Arbeitsbegriff.

Elben: Die Jury war sehr breit aufgestellt, bestand nicht nur aus Video-Experten. Es gab keine thematischen Vorgaben oder was technische Umsetzung angeht. Nur zwei formale Kriterien: Nicht älter als zwei Jahre und eine Einkanal-Arbeit, also so etwas wie ein Film und keine Installation.

Zur PersonGeorg Elben studierte Kunstgeschichte, politischen Wissenschaft und Germanistik in Bonn, Mailand und Karlsruhe. Seit 1993 hat er als Kunstberater für die KfW Bankengruppe (bis 2003 Deutsche Ausgleichsbank) in Bonn und Berlin gearbeitet. Elben war als freier Kurator tätig: "Oops !... I did it again" von Christian Jankowski und "Wer hat Bambi getötet?" von Thomas Steffl im Kunstmuseum Bonn. Seit 2004 leitet Georg Elben die Videonale in Bonn und kuratierte die Videonalen 10 bis 12.GA: Das kann doch nicht alles sein ...

Elben: Wir mussten uns weitere Kriterien erst erarbeiten. Im 32. Stock des Post Towers haben wir eine Woche lang von morgens bis abends Filme angeschaut - vom Musik-Clip bis zur Dokumentation. Im Vergleich merkte man: Was ist professioneller gemacht, wo stimmt die Idee, wo gibt es Überraschungen? Ich glaube, wir waren als Jury ziemlich mutig, Dinge mit hineinzunehmen, die ein bisschen trashig sind und gleichzeitig das Perfekte, vermeintlich Kommerzielle, zuzulassen. Der Qualitätsaspekt ist der wichtigste.

GA: Haben sich bei dieser intensiven Sichtung Tendenzen herauskristallisiert? Was unterscheidet das Angebot der Videonale 11 von dem der Nummer 12?

Elben: Zwei Veränderungen wird man sofort feststellen: Die Videonale ist internationaler geworden und die Beiträge sind länger. Vielleicht liegt es daran, dass die neuen Arbeiten, die erzählten Geschichten komplexer sind. Insgesamt ist das Niveau gestiegen.

GA: Wird also zunehmend mehr erzählt und sich weniger am Medium selbst abgearbeitet?

Elben: Das stimmt. Die Auseinandersetzung mit dem Medium findet nicht mehr statt, das reine Aneignen des Materials und der Technik reicht nicht mehr aus. Es wird viel narrativ erzählt, wobei wir gemerkt haben, dass die Welle langer Dokumentationen abebbt. Dafür gibt es zunehmend parabelhafte Erzählungen.

GA: Wie begegnen Sie Meinungen, Video spiele keine große Rolle mehr, Video sei tot?

Elben: Das hat man über Fotografie und Malerei auch schon gesagt. Wir sind noch gar nicht zu dem Punkt gekommen, wo Video komplett ausgereizt ist. Das Potenzial ist unglaublich, auch was die Präsentationsformen angeht. Es gibt kaum noch Künstler, die sich rein auf Video konzentrieren, Video ist zum künstlerischen Medium geworden, das sie alle nutzen, ähnlich wie Zeichnung oder digitale Fotografie. Video ist in der Kunst integriert?

GA: ... und doch in Museen kaum präsent.

Elben: Das liegt oft an den technischen Voraussetzungen der Museen, an der mangelnden Schulung der Mitarbeiter. Und das wird sich ändern, weil immer mehr Künstler mit Video arbeiten.

GA: Können Museen bei der Videonale lernen, wie man Medienkunst präsentiert?

Elben: Auch das war und ist unsere Aufgabe. Zum Beispiel nach dem Umzug der Videonale ins Kunstmuseum, in eine wunderbare Architektur, die aber eben ausdrücklich nicht für Videokunst ausgelegt ist. Was die Videonale hier mit Ausstellungsarchitekten macht, hat Beispielcharakter. Das wird auch außerhalb so wahrgenommen. Zum Beispiel: Wie geht man mit dem Sound um, ohne immer auf Kopfhörer angewiesen zu sein? Dazu haben die Videonalen 10, 11 und 12 drei Facetten einer Lösung geliefert. Bei der aktuellen Präsentation kann fast jeder Besucher sitzen, Bild- und Tonqualität sind besonders gut.

GA: Klappt denn die Abschirmung der im Zusammenklang oft störenden Geräusche?

Elben: Der Kopf des Besuchers ist ganz dicht am Lautsprecher, die ganze Konstruktion ist mit Filz beschichtet, so dass der Sound nicht reflektiert werden kann. So können wir alle 43 Arbeiten simultan zeigen. Es ist wie Fernsehgucken, nur in einer vom Design her sehr ausgefeilten Form.

Informationen zum Programm der 12. Bonner Videonale unter www.videonale.org

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