Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg Experte Rolf Vogelbacher: "Jedes Kampfmittel ist gefährlich"

BONN · Ein Unglück wie am Freitag in Euskirchen ist äußerst selten, sagt Rolf Vogelbacher, Dezernent für Kampfmittelräumung bei der Bezirksregierung in Düsseldorf. Mit ihm sprach Lutz Warkalla.

Herr Vogelbacher, wie gefährlich ist es in Nordrhein-Westfalen, mit dem Bagger den Boden aufzureißen?
Rolf Vogelbacher: Wir tun hier in NRW sehr viel für die Sicherheit. Vor Bauarbeiten werden Verdachtsflächen untersucht. Wenn dann die Baggerarbeiten beginnen, kann eigentlich ausgeschlossen werden, dass sich noch Kampfmittel im Boden befinden.

Wie wird solch eine Untersuchung durchgeführt?
Vogelbacher: Wir haben ein zweistufiges Verfahren. Wir werden im Vorfeld von Bauarbeiten durch die Kommunen beteiligt, werten im ersten Schritt Luftbilder aus dem Zweiten Weltkrieg und andere Quellen wie unsere Räumdokumentation aus, ob wir Hinweise auf eine Kampfmittelbelastung erkennen können. Der zweite Schritt ist, vor den Baumaßnahmen die Fläche abzusuchen, sofern wir konkrete Hinweise auf Kampfmittel haben.

Haben Sie Erkenntnisse, wie es zu der Explosion in Euskirchen kommen konnte?
Vogelbacher: Nein. Aber es hat sich ja offenbar nicht um Bauarbeiten gehandelt, sondern um das Zerkleinern von Bauschutt.

Aber irgendwie muss die Bombe ja in den Bauschutt gekommen sein. Kommt es vor, dass eine Bombe übersehen wird?
Vogelbacher: Unsere Suchverfahren haben technische Grenzen. Aber dass dabei etwas übersehen wird, ist äußerst selten. Allerdings kann es sein, dass wir mit unseren Suchverfahren sagen müssen, wir können nicht gänzlich ausschließen, dass sich noch Kampfmittel im Boden befinden.

Wo liegen die technischen Grenzen?
Vogelbacher: Wir messen Veränderungen im Erdmagnetfeld, wie sie von Stahlkörpern verursacht werden. Allerdings wird das Erdmagnetfeld auch durch andere Dinge beeinflusst, die Eisenanteile enthalten, zum Beispiel auch durch Ziegelsteine. Das bedeutet: Überall, wo Schutt ist, stoßen wir an unsere Grenzen.

Gibt es Regionen in NRW, die besonders gefährdet sind?
Vogelbacher: Praktisch jede wichtige Stadt ist bombardiert worden, dort muss man überall mit Fliegerbomben rechnen. Am Niederrhein etwa gibt es auch Kampfmittelbelastung aus den Bodenkämpfen. Insgesamt kann man sagen, dass der westliche Landesteil und das Rheinland mit Kampfmitteln belastet sind.

Wie oft muss der Kampfmittelräumdienst zum Einsatz ausrücken?
Vogelbacher: In den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf kommt es mehr als 1000 Mal im Jahr vor, dass wir zu einem Fund gerufen werden.

Und jedes Mal muss eine Bombe entschärft werden?
Vogelbacher: Meisten handelt es sich tatsächlich um Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg, gelegentlich ist auch mal ein Schrottteil dabei. Fliegerbomben machen einen geringen Anteil aus. Auch Erdkampfmunition, Handgranaten, Minen - alles ist dabei.

Und wie gefährlich ist solch eine Munition?
Vogelbacher: Grundsätzlich geht von Kampfmitteln immer eine Gefahr aus. Ob man das Kampfmittel transportieren kann, vor Ort entschärfen oder sprengen muss, müssen unsere Spezialisten entscheiden.

Wie oft muss gesprengt werden?
Vogelbacher: Das haben wir einige Dutzend Mal im Jahr.

Muss jeder Bauherr sein Grundstück überprüfen lassen?
Vogelbacher: Nein. Die jeweilige Kommune entscheidet nach ihren Unterlagen, ob eine Überprüfung vorgenommen werden muss.

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