Gewässerschutz Gewässerreparatur an Ahr, Sieg und Swist

REGION · Auch an den Fließgewässern in der Region um Bonn ist Renaturierung das Zauberwort. An Ahr, Sieg und Swist sollen die baulichen Kunstgriffe an den Flüssen und Bächen durch geeignete Gegenmaßnahmen repariert werkeln. Eine Bestandsaufnahme.

"Aktion Blau"

An der Ahr in Rheinland-Pfalz ist die "Aktion Blau" unterwegs. Aktuell wird zurzeit der Mündungsbereich des Brohlbachs in den Rhein naturnah umgebaut. Auf einer Länge von rund 50 Metern laufen derzeit Arbeiten, um die Gewässerökologie zu verbessern.

Wesentliche Baumaßnahmen in Brohl-Lützing sind der Rückbau eines steilen Absturzes 20 Meter vor der Mündung, die Umgestaltung des Bachbettes, das unterhalb der Bundesstraße 9 zugepflastert ist, und Kiesauskofferungen. Nach der Renaturierung sollen sich die Gewässerlebewesen, vor allem Wanderfische, wieder möglichst ungehindert bewegen können.

Der Kreis- und Umweltausschuss des Kreises Ahrweiler hat dem Vorhaben mit der entsprechenden Auftragsvergabe für rund 180.000 Euro zugestimmt. 90 Prozent der Kosten trägt die "Aktion Blau", die unter Federführung der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD) in Koblenz steht.

Nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie müssen die Länder die Durchgängigkeit der Gewässer herstellen. Schwerpunkte der Renaturierung im Kreis Ahrweiler sind derzeit die Ahr und der Brohlbach. Der Kreis hat bereits zahlreiche Barrieren ab- oder umgebaut. Meist mit Basaltblöcken, die stufenweise in den Gewässerlauf eingesetzt werden. Fische können diese Blöcke wie Treppen flussaufwärts durchschwimmen.

Die Wasserwirtschaftsexperten der SGD haben auch die Ahr zwischen Bad Neuenahr und Bad Bodendorf im Visier. Ziel ist "die ökologische Funktionsfähigkeit des Fließgewässers". Soll heißen: Die mit Wasserbausteinen oder Betonklötzen befestigten Ufer auf der Strecke zwischen Lohrsdorf und Bad Bodendorf sollen ebenso verschwinden wie starke Vertiefungen oder lange gerade Flussabschnitte.

Die Maßnahmen sollen wieder eine Eigenentwicklung ermöglichen und die Dynamik der Ahr anregen; der Fluss soll an geeigneten Stellen wieder mäandrieren und Kurven schlagen, eingebaute Inseln sollen als Brut- oder Rückzugsstätten dienen. Angestrebt werden natürliche Uferlösungen mit sogenannten Auskolkungen (kleinen Vertiefungen am Flussgrund) und eine Verlagerung der schweren Ufer-Wasserbausteine vom Ufer in die Flussmitte, um so die Strömung zu lenken und die Ufer aufzuweiten. Die Kosten von 450 000 Euro trägt das Land.

Während der Kreis Ahrweiler als Unterhaltspflichtiger für den kompletten Ahrverlauf zuständig ist, wird der Brohlbach gesplittet: Von der Quelle in Hannebach bis Oberzissen sorgt die Verbandsgemeinde Brohltal für den Gewässerunterhalt, von Oberzissen bis zur Rheinmündung der Kreis Ahrweiler.

"Gewässerentwicklung Sieg" oder "Entfesselung der Sieg"

An der Sieg heißt das Projekt "Gewässerentwicklung Sieg" oder auch "Entfesselung der Sieg". Es befindet sich derzeit im Planfeststellungsverfahren bei der Bezirksregierung. Der gesamte Plan zur Renaturierung der Sieg deckt ein rund 670 Hektar großes Gebiet ab. Es reicht von der A 59 bei Menden bis zur Mündung in den Rhein bei Mondorf. Auch hier steht im Fokus, das starre Uferkorsett zu entfernen, damit der Fluss sich natürlicher entwickeln kann - ein Projekt, das schätzungsweise 30 bis 40 Jahre dauert; es wird auch das Landschaftsbild verändern.

Doch nicht überall stießen die Pläne auf Gegenliebe. Besonders heftigen Protest gab es in Sankt Augustin-Meindorf. Streitpunkt dabei: das Meindorfer Siegufer. Der Sieg sollte auch in diesem Abschnitt Raum zur Entwicklung gegeben werden, das Naherholungsgebiet zunächst auch als Entwicklungskorridor ausgewiesen werden. Doch dagegen wehrten sich die Meindorfer mit Händen und Füßen.

Bei einer Informationsveranstaltung votierten 500 Meindorfer gegen das Projekt. "Das Engagement der Bürger ist in die Geschichte Meindorfs eingegangen", sagte damals Ortsvorsteher Peter Kespohl. Der Protest wirkte, weshalb die Renaturierung der Sieg im Mündungsbereich nun das Meindorfer Ufer ausspart - mit dem Segen der Bezirksregierung, der Sankt Augustiner Politik und der Verwaltung.

Es hieß aus der Politik, dass das Naherholungsgebiet erhalten bleibe, sei eine gute und richtige Entscheidung. "Wir brauchen dennoch für Meindorf eine Perspektive", wies Kespohl etwa auf das unkontrolliert wuchernde drüsige Springkraut hin. "Da sehen Sie vom Ufer aus die Sieg gar nicht mehr."

"Lebendige Gewässer"

An der Swist ist Entschleunigung das das Gebot der Stunde. Wer die pure Ruhe und Entspannung beim Anblick des gemächlichen Gewässers sucht, muss nicht in die Ferne schweifen, sondern findet alles an der Swist, dem mit 43,6 Kilometern längsten Bach Europas. Doch das so harmlos daherfließende Gewässerchen kann auch anders: Es schwillt von jetzt auf gleich gewaltig an und überschwemmt halbe Ortschaften.

Um die Swistanrainer vor Hochwasser zu schützen, soll nun ein "guter ökologischer Gewässerzustand" erreicht werden. Dafür hat sich der Erftverband mit Sitz in Bergheim an der Erft in den vergangenen fünf Jahren mächtig ins Zeug gelegt. Wie am Swisttaler Ortsteil Miel trägt die Renaturierung zwischen Kalenborn im Kreis Ahrweiler und der Mündung in Weilerswist erste rüchte.

Einer, der entlang der Swist - der Name leitet sich vom niederdeutschen Begriff "twisten" (teilen, sich gabeln) ab - jeden Stein und jeden Swistknick kennt, ist Karl-Heinz Beier, Projektleiter beim Erftverband. In die Renaturierung hat der Verband seit dem Beginn des NRW-Landesprogramms "Lebendige Gewässer" im März 2011 Millionen investiert. Wie viele Millionen Euro es sind, lässt sich laut Beier nicht exakt sagen. Fest stehe nur: Bis 2027 muss die EU-Wasserrahmenrichtliumgesetzt sein. Obgleich bis dahin noch gut zwölf Jahre ins Land gehen, drängt die Zeit, weil der Rückbau eines Gewässers kein Hauruck-Akt ist.

So müssen die Fachleute im Auftrag des Erftverbandes auch an der Swist einen Trend rückgängig machen, wie er in den 1960er- und 1970er-Jahren Mode war - die Begradigung des Fließgewässers. Das erhöhte nicht nur die Fließgeschwindigkeit, sondern führte auch dazu, dass sich etwa Bachflohkrebse oder Wasserschnecken in der Swist rar machten. Dass ausgerechnet große Bagger helfen, um diese Tiere wieder an der Swist heimisch werden zu lassen, sei kein Widerspruch, sagt Beier.

Herrschte vor Jahrzehnten die Denkweise vor, Flüsse und Bäche zu begradigen, um Hochwasser zu vermeiden, wird heutzutage das Gegenteil als richtig angesehen. Heute versucht der Erftverband, Überflutungen nach Starkregen durch das Anlegen von Retentionsflächen zu verhindern. "Auenreaktivierung", agt Beier. Kleine und mittlere Hochwasser, die aus der Siedlungsentwässerung stammen, lassen sich somit verhindern.

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