Interview mit Stefanie Kreusel "Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen"

Ist unsere Gesellschaft für die digitale Zukunft gewappnet? Und was bewegt die Telekom, das in Expertenrunden zu diskutieren? Mit Telekom-Aufsichtsrätin Stefanie Kreusel sprach Sylvia Binner.

Stefanie Kreusel, Mitglied im Aufsichtsrat der Telekom

Stefanie Kreusel, Mitglied im Aufsichtsrat der Telekom

Foto: Jörg Heupel/Telekom

Mit welchen Eindrücken kehren Sie von der Expertenrunde zur digitalen Verantwortung zurück?

Stefanie Kreusel: Das war ein sehr interessanter Abend. Mein wichtigster Eindruck: Mit unserem Thema rennen wir offene Türen ein - es scheint, als hätten unsere Experten nur darauf gewartet, dass jemand ein Format zum Thema "Digitale Verantwortung" etabliert. So bunt wie die Auswahl der Gäste am runden Tisch war auch das Themenspektrum: Wir haben Ideen entwickelt, Fragen aufgeworfen und Vorschläge diskutiert; es ging um digitale Kompetenz, um lebenslanges Lernen, um neue Herausforderungen - insbesondere für Führungskräfte - und um Mut zur Veränderung. Natürlich ging es aber auch um Vorbehalte und um das unglaubliche Tempo, mit dem sich der digitale Wandel vollzieht.

Welche Idee steckt dahinter, Menschen jeden Alters aus verschiedensten Bereichen zum Thema Digitalisierung zusammenzubringen?

Kreusel: Als Telekommunikationsunternehmen beschäftigen wir uns natürlich mit den enormen Chancen, die die Digitalisierung bietet. In unzähligen Bereichen wird es tief greifende Veränderungen geben, sei es im Bereich Gesundheit - denken Sie nur an Armbänder, die Vitalfunktionen überwachen können -, im Bildungswesen - hier sprechen wir über vernetzten Unterricht und mobile Mediendidaktik - oder im Bereich Verkehrsinfrastruktur. Gerade da gibt es große Potenziale: Digital unterstützte Mobilitätskonzepte wie Carsharing werden bewirken, dass z.B. die Bonner Innenstadt zukünftig nicht mehr von einer Autoflut überrollt wird, so dass sich bei der Stadtplanung völlig neue Möglichkeiten ergeben. Wir beschäftigen uns aber auch mit Risiken: Inwieweit kann eine ungebremst voranschreitende Digitalisierung zur Bedrohung werden? Wer Chancen und Risiken vollständig erfassen will, muss mit Vertretern unterschiedlichster Gruppen sprechen - und genau das tun wir. In den Expertengesprächen geht es darum, die Digitalisierung mit all ihren Konsequenzen zu erörtern und eine Marschrichtung zu finden, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht. Letzteres ist für mich persönlich der wichtigste Aspekt: der maximale Nutzen für Menschen jeden Alters.

Wie gut sind Jung und Alt für die digitale Zukunft gerüstet?

Kreusel: Gut für die Zukunft gerüstet zu sein ist keine Frage des Alters: Es gibt Innovationsführer älteren Semesters, und es gibt junge Menschen, die in puncto Digitalisierung Berührungsängste haben. Zwar hat die - in Anführungszeichen - analoge Generation mit dem digitalen Wandel mehr Schwierigkeiten als die junge Generation, aber Techniktrends wie intuitiv bedienbare Nutzungsoberflächen und Sprach- oder Gestensteuerung lösen diese Schwierigkeiten auf. Ich gehe daher davon aus, dass die Digitalisierung zu einem Zusammenwachsen der Generationen führen wird: Wenn altersbedingte Erfahrung und jugendliche Neugier zusammenkommen, entsteht ein signifikanter Wettbewerbsvorteil - das werden früher oder später alle großen Unternehmen erkennen.

Was macht Führung in einer digitalisierten Welt aus?

Kreusel: Führung ist im digitalen Zeitalter gänzlich anders charakterisiert als noch im industriellen Zeitalter. Es gibt eine Trendwende - weg von der systemischen Führung, hin zu einer Art situativer Führung. Es kommt nicht mehr so sehr darauf an, welche Position jemand innehat, sondern vielmehr darauf, welche Vorschläge und Ideen er zu einer Frage beisteuern kann - und natürlich darauf, wie er diese publiziert. Wer in der Lage ist, Menschen über die unterschiedlichsten Kanäle zu erreichen - sowohl physikalisch als auch emotional -, der wird als Leader akzeptiert. Schon Albert Einstein hat gesagt: Ein Beispiel zu geben ist nicht etwa die beste Methode, andere zu beeinflussen - es ist die einzige! Das stimmt heute umso mehr.

Müssen wir alle das Programmieren lernen und möglichst viele Social-Media-Kanäle bespielen können?

Kreusel: Nein, im Gegenteil - wir müssen vor allem lernen, uns in puncto Digitalisierung zu rationieren. Niemand muss rund um die Uhr online sein, und jeder sollte sehr genau schauen, über welche Kanäle er sich mit Informationen versorgt. Das bloße Vorhandensein von technischen Möglichkeiten verpflichtet uns nicht dazu, diese Möglichkeiten auch vollständig auszunutzen.

Wie geht es mit den Gesprächen weiter? Und wie will die Telekom die Ergebnisse für sich nutzbar machen?

Kreusel: Es gibt mittlerweile zwei parallele Stränge der Expertenrunde. Aktuell befinden wir uns in der Vorbereitung für die zweite Runde Anfang April. Des Weiteren gibt es Projektgruppen, die an der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen arbeiten, und wir haben virtuelle Gesprächsrunden eingerichtet, in denen sich die Teilnehmer austauschen können. Was die Frage nach dem Nutzbarmachen der Ergebnisse angeht: Mein Team und ich haben die Expertenrunden gemeinsam mit dem Familienministerium nicht ins Leben gerufen, um betriebswirtschaftliche Vorteile für den Konzern zu erzielen. Vielmehr sehe ich uns in der Verantwortung, die digitale Gesellschaft zu gestalten und Vertrauen zu schaffen.

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