"Wir wollen nicht den Erfolg um jeden Preis"

Rolf Aldag über seine Entscheidung und die neuen Qualitäten des T-Mobile-Teams - Der neue Teammanager erinnert an die schwierigen Jahre zwischen 1993 und 1995

"Wir wollen nicht den Erfolg um jeden Preis"
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Bonn. Der neue Teammanager Rolf Aldag ist überzeugt, das sich die anderen Mannschaften dem konsequenten Kampf des T-Mobile-Teams gegen Doping im Radsport anschließen werden. Mit Aldag sprach Hansjürgen Melzer.

General-Anzeiger: T-Mobile beschäftigt nur noch "Saubermänner". Was passiert, wenn der erste Dopingfall im Team bekannt werden sollte?

Rolf Aldag: Wenn einer erwischt wird, spricht das dafür, dass das Kontrollsystem funktioniert. Einzeltäter wird es immer geben. Der schlimmste Fall für mich wäre ein systematisches Doping. Mein Alptraum sind Netzwerke. Dann müsste auch ich als Radsport-Fan erkennen, dass diesem Sport nicht mehr zu helfen ist.

GA: Ein Netzwerk wie das des spanischen Arztes Fuentes?

Aldag. Ja. Darüber empfinde ich Wut und große Enttäuschung.

GA: Auch über Jan Ullrich, mit dem Sie so viele Jahre zusammengefahren sind?

Aldag: Ja. Dafür gibt es überhaupt keine Entschuldigung. Die Situation mit Ullrich und Rudy Pevenage als Team im Team war ungesund. Er war nicht von außen zu greifen, weil er so eng an Pevenage gebunden war und beide in der Toscana zusammengluckten.

GA: In den letzten Tagen gab es Meldungen, Jan Ullrich könne mit einer Lizenz des Schweizer Radsportverbandes für 2007 rechnen. Was machen Sie, wenn er im kommenden Jahr bei der Tour de France am Start stehen sollte?

Aldag: Darüber mache ich mir noch keine Gedanken. Ich denke, dass Jan soweit von der Tour entfernt ist wie ich vom Jackpot im Lotto. Es ist aber schwer vorstellbar, dass wir dann am Start stehen würden, es sei denn, Jan ist bis dahin rehabilitiert.

GA: Sind Sie denn zuversichtlich, dass andere Teams sich dem Kampf von T-Mobile gegen Doping anschließen werden

Aldag: Das Team Gerolsteiner zieht mit, und auch die französischen Teams stehen dahinter. Wenn elf ihre Hände heben, werden auch die anderen mitmachen müssen. Wir gehen einfach nur den Schritt voraus, der notwendig ist, um die Sache zu initiieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass die anderen Teams folgen werden.

GA: Hat Sie unter diesen Vorzeichen das klare Bekenntnis von T-Mobile zum Radsport und die Verlängerung des Sponsoring-Engagements bis 2010 überrascht?

Aldag: Ich finde die Bereitschaft, uns vier Jahre Sicherheit zu geben, schon bemerkenswert.

GA: . . . auch vor dem Hintergrund, dass Erfolge eher schwer zu erreichen sein werden?

Aldag: Wir wollen sicher nicht nur die sympathischen Abgehängten sein. Aber wir wollen auch nicht den sportlichen Erfolg um jeden Preis. Die Leute sollen über uns sagen: Die haben alles versucht. Wir wollen eine Mannschaft der Charaktere und des gegenseitigen Respekts haben. Das gilt für die Fahrer untereinander, aber auch allen anderen Teammitgliedern wie Busfahrern und Mechanikern gegenüber.

GA: Was war bisher anders?

Aldag: Bisher gab es einen übermächtigen Kapitän. Wenn der gut war, war das für alle gut. Künftig wird kein Fahrer auf einer Berg~etappe mehr sagen können: Mach mal, Ulle! Jeder hat seine Rechte, aber auch seine Pflichten.

GA: Haben Sie keine Angst, dass die Erfolge ausbleiben?

Aldag: Davon auszugehen, dass 2007 unser erfolgreichstes Jahr wird, ist sicherlich gewagt. Ich bin aber mit dem Team Telekom in den Jahren 1993 bis 1995 auch durch extreme Tiefs gegangen. Das hat die Mannschaft geformt. Wir hatten keine Klassefahrer, konnten aber trotzdem gewinnen, weil sich jeder auf den anderen verlassen konnte. Das Vertrauen ging über die Jahre verloren, weil immer neue Leute gekommen sind, die direkt zur Tour mitgefahren sind.

GA: Wer ist nach Ullrich und Klöden künftig die T-Mobile-Hoffnung für die Tour? Aldag: Michael Rogers und Linus Gerdemann. Rogers kann Klöden nicht eins zu eins ersetzen, obwohl er in diesem Jahr als Helfer Zehnter geworden ist. Aber er hat sicher Probleme, auf das Podium zu kommen. Ich sehe seine Rolle jedoch viel weitgehender. Er kann in Ruhe mit den jüngeren Fahrern arbeiten, ihnen vieles vermitteln.

GA: Von Gerdemann hatte man bei der Deutschland-Tour aber bereits mehr erwartet . . .

Aldag: Er hat vorher gesagt, dass seine Form nicht mehr gut ist. Er ist aber eine riesige Tour de Suisse gefahren und wäre wohl auf dem Podest gelandet, wenn er nicht für Ullrich hätte fahren müssen.

GA: Was erwarten Sie von Sprint-Hoffnung Gerald Ciolek?

Aldag: Er kann unser Aushängeschild werden. Wir dürfen ihn aber nicht ins Messer laufen lassen, indem wir ihm sagen: Du bist der designierte Zabel-Nachfolger.

GA: Mussten Sie lange überlegen, um sich für die neue Aufgabe bei T-Mobile zu entscheiden?

Aldag: Das ist für mich keine Entscheidung von heute auf morgen gewesen. Schöner als beim Fernsehen kann es ja eigentlich nicht sein. Da steht du immer auf der richtigen Seite. Doch dann habe ich mir gedacht, hier läuft viel schief, und die Leute haben Vertrauen zu mir. Du kannst hier was bewegen.

Ich habe selber 13 Jahre von Telekom und T-Mobile profitiert. Beim Team sind zurzeit 67 Leute beschäftigt. Ihnen gegenüber fühle ich eine gewisse Verantwortung, weniger unseren Spitzenfahrern gegenüber.

Zur PersonRolf Aldag war von 1991 bis 2005 Radprofi, seit 1993 beim Team Telekom und später beim T-Mobile-Team. Der 38-jährige Beckumer nahm zehn Mal an der Tour de France teil und verrichtete dort zumeist Helferaufgaben. 2003 trug er das Bergtrikot. Im vergangenen Jahr stieg er als Co-Kommentator beim ZDF ein.

Gleichzeitig hatte er einen Vertrag mit der Kommunikationsabteilung von T-Mobile als Berater. Seit acht Wochen bildet er mit dem Amerikaner Bob Stapleton das neue Teammanagement. Der dreifache Familienvater wohnt auf einem Bauernhof in seiner westfälischen Heimat.

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