Interview mit Lothar Linz Was Sportpsychologen beim Hochleistungssport Karneval raten

BONN · Karneval ist für Profi-Entertainer ein Hochleistungssport. Wer gut durch die Session kommen möchte, muss Körper und Seele pflegen. Dabei greifen vergleichbare Strategien wie bei Olympiasiegern. Berthold Mertes sprach mit dem erfahrenen Sport-Psychologen Lothar Linz.

Während der tollen Tage hetzen Profi-Entertainer von Auftritt zu Auftritt. Führt eine solche Tortur irgendwann fast zwangsläufig zum "Burn out"?
Lothar Linz: Dass es zwangsläufig dazu führt, ist vielleicht etwas zu extrem ausgedrückt, aber überraschend kommt so etwas sicher nicht. Die Belastung ist enorm, zumal die wirklichen Karnevalsgrößen auch im restlichen Jahr gut gebucht sind.

Was bedeutet es für Geist und Körper, ein Dutzend Mal pro Tag für 20 Minuten witzig sein zu müssen?
Linz: Das Problem ist es nicht, witzig sein zu müssen. Das ist ja in der Regel ein einstudiertes Programm. Die Schwierigkeit liegt darin, so oft auf der Bühne zu stehen und Höchstleistung zu bringen. Den Besuchern einer Sitzung ist es egal, ob der Künstler schon acht Auftritte hinter sich hat. Sie wollen jetzt gut unterhalten werden, schließlich haben sie dafür bezahlt. Das bedeutet für die Akteure hohen Druck sowie maximale körperliche und mentale Belastung.

Welche körperlichen Voraussetzungen braucht man, um den Erwartungsdruck auszuhalten?
Linz: Von Rockstars wissen wir, dass sie gut beraten sind, sich mit Ausdauertraining auf eine Tour vorzubereiten. Bei Karnevalisten sind die Anforderungen nicht anders. Sie sollten also fit sein und sich während der tollen Tage gut ernähren. Ich kann Belastungen um so besser wegstecken, desto besser ich mich erholen kann. Ein robustes Naturell kommt dann zusätzlich zugute.

Geht das ohne leistungssteigernde Mittel? Wie groß ist die Suchtgefahr?
Linz: Die Suchtgefahr ist sicher nicht zu unterschätzen, da Alkohol kurzfristig hilft, sich zu entspannen. Zudem ist ein Kölsch immer schnell zur Hand und in der Gemeinschaft ist die Versuchung noch größer.

Mit welchen psychologischen Strategien aus dem Spitzensport meistert ein Profi-Karnevalist die tollen Tage ohne gesundheitliche Schäden?
Linz: Gezielte Entspannung zwischen den Auftritten ist ein wichtiges Mittel. Im Sport spricht man von Psychoregulation. Also das eigene System schnell runterfahren, durchatmen und sich dann erst kurz vor dem Auftritt wieder gezielt aktivieren. Zum Runterfahren dienen Verfahren wie zum Beispiel die progressive Muskelentspannung. Eine gute mentale Vorbereitung hilft auch. Sich vorher schon überlegen, was heute auf mich zukommt, welche Stressmomente entstehen könnten und welche Lösungen ich parat habe. Das spart später geistige Ressourcen und gibt das wichtige Gefühl der Kontrolle, was wiederum das Stresserleben reduziert.

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