Kommentar Geheimdienste und Datenaffären - Sicherheitsrisiko

Peinlicher geht es nicht. Pünktlich zum G8-Gipfel in Enniskillen ist zu erfahren, wie das Vereinigte Königreich bei ähnlichem Anlass vor vier Jahren mit Konferenzgästen aus teilweise verbündeten Nationen zu verfahren beliebte: Die Kommunikation der Damen und Herren aus Südafrika, der Türkei und Russland wurde beim G20-Gipfel 2009 in London ausgespäht, wie man sich das in Peking oder Schanghai nicht schöner hätte vorstellen können.

Wer will man da noch der Führung in Peking ihre Cyber-Spionage vorwerfen? Das chinesische Regime muss gar nichts weiter tun, als dem Informanten Edward Snowden, der auch die neueste britische Geheimdienstaffäre an die Öffentlichkeit gebracht hat, sicheren Aufenthalt in Hongkong zu gewähren und darauf zu warten, dass der junge Mann weiter auspackt und westliche Staaten blamiert.

Die Rolle dieses Herrn Snowden ist das eigentlich Unfassbare an jenen Vorgängen, die die Öffentlichkeit westlicher Staaten nun seit Wochen bewegen. Da maßen sich die Geheimdienste der USA, Großbritanniens und weiterer Verbündeter einen nahezu schrankenlosen Zugriff auf den weltweiten Datenverkehr an.

Es sind die gleichen Geheimdienste, die seit den 70er Jahren das Abhörprogramm Echelon betrieben. Eine entsprechende Anlage im bayerischen Bad Aibling wurde bekanntlich erst 2004 auf deutschen Druck hin geschlossen. Die Dienste machen unverdrossen weiter, wenn auch mit anderen Mitteln, und sie tun das in einem solchen Umfang, dass ihre Leute allein damit gar nicht mehr zurechtkommen.

Da müssen externe Experten ran wie Edward Snowden von der Firma Booz Allen Hamilton. Und selbst ein eher subalterner Mitarbeiter wie er ist in der Lage, Geheimdaten auf einen USB-Stick zu ziehen und mit nach Hause zu nehmen.

Natürlich durchforsten auch deutsche Geheimdienste das Internet. Die Datensammlung des amerikanisch-britischen "Prism"-Programms aber hat offenbar so monströse Ausmaße erreicht, dass man sie nicht mehr verlässlich verwalten kann. Das Bedürfnis nach größtmöglicher Sicherheit ist selbst zum Sicherheitsrisiko geworden.

Die betroffenen Internetfirmen beteuern zwar, sie hätten nur Einzelanfragen bearbeitet, 4000 bis 5000 in einem halben Jahr etwa bei Apple und bis zu 19 000 bei Facebook. Vom technischen Ansatz her aber kann durch "Prism" der Verkehr über E-Mail-Server und soziale Netzwerke offenbar flächendeckend überwacht werden.

Das überschreitet die Grenzen dessen, was ein Geheimdienst in einem Rechtsstaat tun darf. Und die Geheimdienstchefs, die ihre eigene Datensammlung nicht mehr beherrschen, müssen davor zittern, dass nicht USB-Sticks mit noch ganz anderen Informationen als den von Edward Snowden veröffentlichten im Umlauf sind.

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