Kommentar Ende der Hongkong-Proteste: Gescheitert

Vor wenigen Tagen versuchten sie es noch einmal: Einige Hundert besonders hartnäckige Studenten wollten an die Occupy-Proteste anknüpfen, die Hongkong im Herbst in Atem gehalten hatten.

Doch seitdem Mitte Dezember die Polizei das letzte Protest-Camp geräumt hat, kommen keine Massen mehr. Stattdessen rollt auf den Straßen wieder der Verkehr - als hätte es die Blockaden nie gegeben.

Mehr als zwei Monate lang haben Studenten und Demokratie-Aktivisten mit Blockaden und Protestcamps für mehr Demokratie und freie Wahlen demonstriert. Doch die Hongkonger Führung ist stur geblieben und stellt sich weiter hinter die Pläne der chinesischen Zentralregierung, bei den ersten direkten Wahlen ab 2017 nur Kandidaten zuzulassen, die von der KP-Führung in Peking vorher abgesegnet werden. Auch mit der Forderung nach dem Rücktritt des umstrittenen Hongkonger Regierungschefs Leung Chun-Ying konnten sich die Demonstranten nicht durchsetzen. Mehr denn je stellt sich nun die Frage: Woran ist der Protest gescheitert?

Vor allem haben die Aktivisten ihren mächtigen Gegner unterschätzt. Anders als auf dem Festland lässt die KP-Führung Kritiker zwar selten brutal und ohne rechtliche Grundlage wegsperren, als ehemalige britische Kronkolonie genießt Hongkong einen Sonderstatus. Trotzdem war von vornherein klar, dass sich Peking auf keinen Fall die Blöße geben würde, gegenüber den Hongkonger Demonstranten klein beizugeben.

Die Initiative Occupy Central hatte die Einführung des allgemeinen Wahlrechts ab 2017 aber als unabdingbares Ziel genannt. Das mag ein berechtigtes und in westlichen Demokratien selbstverständliches Anliegen sein, nicht aber in der Volksrepublik. Auf dem Festland sind Forderungen nach Demokratie ein Tabu, weil damit im Verständnis der herrschenden KP deren Macht im Allgemeinen infrage gestellt wird. Nichts fürchtet sie mehr.

Angesichts dieser absoluten Forderungen der Aktivisten gab es für die Hongkonger Regierung nicht den Hauch eines Verhandlungsspielraums.

Ein wesentlicher Grund der Proteste war die in Hongkong weit um sich greifende Korruption und Vetternwirtschaft. Die Hongkonger Führung ist eng verbandelt mit mächtigen Unternehmern und ihrer Sippschaft in der Stadt, den sogenannten Tycoons.

Sie sind vor allem daran interessiert, wie sie in der Finanzmetropole zu noch mehr Geld und Einfluss kommen. An den sozialen Belangen der Stadt sind sie nicht interessiert. Mit der Ausweitung der Blockaden auf die Geschäftsviertel von kleinen Gewerbetreibenden rückte dieser Aspekt allerdings in den Hintergrund.

Occupy Hongkong ist damit gescheitert. Und es wird womöglich Jahre dauern, bis sich die Demokratie-Bewegung erholt.

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