Abgabe für Kinderlose: Gerechter? Nein

Der Generationenvertrag in den sozialen Sicherungssystemen hat sich bewährt. Er besagt im Kern, dass die erwerbstätige Generation die Renten der Elterngeneration gewährleistet. Das geht aber nur solange gut, wie das Verhältnis zwischen Zahlern und Empfängern stimmt.

Seit sehr vielen Jahren ist klar, dass die Finanzierung immer wackeliger wird. Seit ebenso vielen Jahren wird an den Sozialsystemen herumprobiert, auch in den Konstruktionen für Ehe und Familie.

Nun sind nach einem Vorschlag junger Unionsabgeordneter die Kinderlosen dran. Sie sollen mehr zahlen, weil sie keine Kinder haben und deshalb keinen Beitrag zum Generationenvertrag leisten. Auch diese Diskussion ist nicht neu. Derartige Vorschläge klingen gut und erscheinen plausibel. Dennoch werden sie auch durch stete Wiederholung nicht besser.

Zunächst einmal: Kinderlose zahlen ohnehin mehr als Eltern, denen entsprechende Steuerfreibeträge gewährt werden. Ferner sind sie wegen der Kinderlosigkeit in der Regel länger erwerbstätig und dadurch länger sozialversicherungspflichtig. Eltern hingegen bekommen Zeiten in der Sozialversicherung angerechnet, obwohl sie etwa in Jahren der Kindererziehung keine Beiträge zahlen. Das ist gesellschaftlich gewollt - und auch richtig.

Wer Kinderlose jetzt noch zusätzlich zur Kasse bitten will, mag mehr Geld einnehmen, ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit ist das aber keineswegs. Denn unsere Gesellschaft sollte individuelle Lebensentwürfe weiterhin akzeptieren und nicht bestrafen. Das gehört zum Grundkonsens. Und was ist mit den vielen ungewollt Kinderlosen? Das Erleben und Verarbeiten von, aus welchen Gründen auch immer, erzwungener Kinderlosigkeit kann eine große Belastung sein. Manche Betroffene leiden jahrelang. Und dann sollen sie dafür mehr bezahlen?

Im Übrigen kommt in der Kinder- und Kinderlosen-Diskussion der vergangenen Jahre ein Aspekt zu kurz, der banal klingen mag, es aber beileibe nicht ist: Kinder sind ein großes Glück und ein wesentlicher Beitrag zu einem erfüllten Leben - wenn man sein Leben denn so gestalten will und der Kinderwunsch erfüllt wird.

Deshalb sollte die Gesellschaft Kinderwünsche befördern statt Kinderlosigkeit zu bestrafen, wie es Familienministerin Schröder zu Recht formulierte: durch weitere Anstrengungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, durch ein gerechteres Steuersystem, das sich, etwa durch ein Familiensplitting, an der Kinderzahl orientiert und nicht das Kindergeld nach dem Gießkannen-Prinzip in einheitlicher Höhe an Gut- und Gering-Verdiener verteilt.

Die jungen Unions-Abgeordneten haben einen provokanten Vorschlag gemacht, der inhaltlich nicht überzeugt. Zugleich haben sie damit aber ein zentrales Zukunftsthema gesetzt und belebt. Das ist durchaus ein Verdienst.

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