"Couchsurfing" immer beliebter Fremde zu Gast im eigenen Wohnzimmer

BERLIN/BONN · Reisende wohnen billig oder umsonst bei Privatleuten: Fremde Menschen in die eigene Wohnung lassen - das ist für viele Leute bereits eine Zumutung. Andere hingegen empfinden es als eine echte Bereicherung, Menschen, die sie kaum oder überhaupt nicht kennen, über Nacht in der privaten Bleibe aufzunehmen. Aka Thomas aus Bonn tut das sogar regelmäßig.

 Aka Thomas aus Bonn bietet regelmäßig fremden Reisenden, die eine Unterkunft in Bonn suchen, kostenlos ein Dach über dem Kopf und ihre Gästecouch zum Schlafen an.

Aka Thomas aus Bonn bietet regelmäßig fremden Reisenden, die eine Unterkunft in Bonn suchen, kostenlos ein Dach über dem Kopf und ihre Gästecouch zum Schlafen an.

Foto: Roalnd Kohls

Die 26-jährige Jura-Studentin lebt seit vier Jahren in einem Studentenwohnheim in der Bonner Südstadt und bietet seitdem regelmäßig fremden Reiselustigen ihr Zimmer zum Übernachten an. Sie ist aktives Mitglied des Online- Portals Couchsurfing, auf dem sich Reisende, die zu Besuch in fremden Städten sind, eine kostenlose Unterkunft bei Einheimischen der Stadt suchen können. Nachdem Reisende und Gastgeber sich kurz abgesprochen und das Profil des jeweils anderen gründlich auf Vertrauenswürdigkeit studiert haben, kann das Couchsurfing-Erlebnis auch schon beginnen.

Momentan beherbergt Thomas ungefähr einmal im Monat Besucher in ihrem 25 Quadratmeter großen Zimmer mit Balkon. Da sie in ihrem Studentenwohnheim nur ihr eigenes Zimmer zur Verfügung hat, schlafen die fremden Couchsurfer mit ihr im selben Raum. Das mache ihr und allen Gästen, die sie bisher beherbergt hat, aber überhaupt nichts aus, sagt sie. Die Couch, der Hauptschlafplatz ihrer Gäste, steht direkt unter ihrem großen Hochbett.

"Relativ eng war es einmal, als ich eine Gruppe von fünf Leuten aufgenommen habe", sagt Thomas. "Die habe ich auf meiner Couch, in meinem Bett und auf dem Boden untergebracht. Ich selber habe dann bei einem Mitbewohner geschlafen." erklärt sie. Bei solchen Situationen schätze sie sehr, so tolerante und offene Mitbewohner zu haben. Insgesamt hat Aka Thomas schon etwa 35 Gäste aus Dänemark, Schweden, aber auch aus Asien oder Südamerika auf ihrer Couch beherbergt. Der kuriosesten Gast, der jemals bei ihr übernachtet habe, sei ein Mann aus Chile gewesen, der drei Jahre lang mit seinem Fahrrad die Welt bereiste und dabei hauptsächlich Unterkünfte von Couchsurfern nutzte.

Thomas selbst ist ungefähr fünf bis sechs Mal im Jahr auf Reisen und übernachtet dabei so oft wie möglich bei anderen Mitgliedern des Portals, um Geld zu sparen. Bis jetzt war sie hauptsächlich im europäischen Raum unterwegs und besuchte unter anderem die Ukraine, Polen, Belgien oder Frankreich. Aber auch in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku hat sie bereits ein paar Nächte verbracht.

Sie schläft lieber auf fremden Gästesofas als im Hotelbett, erklärt sie. "Man lernt eine Menge interessanter Leute kennen und erlebt die einheimische Kultur hautnah - es ist einfach viel persönlicher und nicht so langweilig wie im Hotel."

Mittlerweile haben sich neben dem kostenlosen Couchsurfing auch kommerzielle Mietportale etabliert, die Hotels und Pensionen Konkurrenz machen. Auf diesen können sich Reisende zu einem vom Vermieter festgelegten Preis Privatwohnungen mieten oder Wohnungsbesitzer ihre eigene Bleibe vermieten. Weltweiter Marktführer ist Airbnb. Das US-Unternehmen hat nach eigenen Angaben 200.000 Übernachtungsmöglichkeiten in 190 Ländern im Angebot.

Die eigene Wohnung auf Airbnb zu vermieten, ist vorerst kostenlos. Airbnb erhebt jedoch für jede Buchung eine "Gastgebergebühr" von drei Prozent des Buchungspreises. Für Gäste wird eine Gebühr von sechs bis zwölf Prozent auf den Buchungspreis erhoben. Je teurer der Zimmerpreis, desto geringer fällt die Gebühr aus.

In Deutschland trifft Airbnb auf zwei Wettbewerber, nämlich Wimdu.de aus der Firmengruppe der Samwer-Brüder und 9flats.com. Hinter 9flats steht der Hamburger Unternehmer Stephan Uhrenbacher, der sich zuvor mit der Gründung des Empfehlungsportals Qype einen Namen gemacht hat.

Allein in Berlin werden nach Einschätzungen des deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) 50.000 Betten privat angeboten, die jährlich von drei Millionen Touristen genutzt werden. Bei Airbnb spielt die deutsche Hauptstadt inzwischen auch international in der Spitzenliga. New York steht mit 12.000 Gastgebern an der Spitze. Berlin liegt mit 4 000 Listen-Einträgen hinter London (6800) und Paris (6500), aber deutlich vor München (1500).

Aka Thomas wird künftig wieder öfter im Ausland unterwegs sein, um ihren Lieblings-Fussballverein Borussia Dortmund bei Auswärtsspielen der Champions League zu unterstützen.

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