Missbrauchsfälle im Bad Honnefer Internat Hagerhof

Im Internat Schloss Hagerhof hat es in den 70er Jahren offenbar Fälle von Missbrauch gegeben. Am Donnerstag meldete sich ein heute 50-jähriger ehemaliger Internatsschüler beim General-Anzeiger und schilderte seine Erlebnisse.

Bad Honnef. Im Internat Schloss Hagerhof hat es in den 70er Jahren offenbar Fälle von Missbrauch gegeben. Am Donnerstag meldete sich ein heute 50-jähriger ehemaliger Internatsschüler beim General-Anzeiger und schilderte seine Erlebnisse. Demnach zwang ein Erzieher den damals Zwölfjährigen zu oralem und analem Verkehr.

Die heutige Schulleitung bestätigte am Donnerstag, dass sich der ehemalige Schüler, der von 1972 bis 1976 in dem Internat lebte, auch bei ihr gemeldet habe. Sofort aufgenommene Recherchen ergaben, so Gudula Meisterjahn-Knebel, dass der fragliche Erzieher wegen eines anderen Falles 1976 fristlos entlassen wurde.

Die RechtslageSexuelle Handlungen gegen den Willen des Opfers unter Anwendung von Gewalt, Drohung mit Gewalt oder unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage sind nach deutschem Strafrecht eine sexuelle Nötigung. Ein besonders schwerer Fall der Nötigung liegt in der Regel beim Beischlaf oder bei einem "sonstigen Eindringen in den Körper" (Vergewaltigung) vor.

Sexueller Missbrauch bei Kindern (bis 14 Jahre) wird mit einer Strafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren geahndet, in einem besonders schweren Fall von einem Jahr bis zu 15 Jahren. Die Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch von Kindern liegt bei zehn Jahren, in besonders schweren Fällen bei 20 Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt im Falle sexuellen Missbrauchs von Kindern erst mit dem 18. Geburtstag des Opfers. (hek)

Ein Schüler hatte damals gemeldet, er habe mit dem Erzieher Pornofilme ansehen müssen. Der 50-Jährige, der offenbar Opfer von Vergewaltigungen wurde, hatte sich dagegen - bis jetzt - niemandem anvertraut.

"Durch die Berichterstattung der letzten Wochen ist das alles bei mir wieder hochgekommen", sagte Peter Schmitz (Name von der Redaktion geändert) am Donnerstag dem General-Anzeiger. "Ich hatte das völlig verdrängt."

Umso deutlicher ist jetzt die Erinnerung: "Ich wurde nachts mit Oralverkehr geweckt, musste dann mit in sein Zimmer." Mindestens einer der drei Mitschüler in dem Zimmer mit Stockbetten habe gesehen, was ihm geschah: "Ich habe meinem Gegenüber direkt in die Augen gesehen."

Vor acht Jahren sei er sogar bei einem Ehemaligentreffen im Schloss Hagerhof gewesen und habe nicht an die Taten gedacht, erzählt Peter Schmitz, der als Vertriebsangestellter bei Köln wohnt. "Wenn ich das nicht verdrängt hätte, hätte ich da nicht hingehen können." Sein Ziel sei es jetzt, "dass das nicht verschwiegen wird. Das war nicht richtig, so etwas darf nicht wieder passieren."

Daran ist auch Gudula Meisterjahn-Knebel gelegen. Sie legt Wert auf die Tatsache, dass der Träger von Internat und Schule, die dieser Tage 50-Jähriges feiern, in den siebziger Jahren noch ein anderer war.

Geschichte des InternatsRund 540 Schüler besuchen heute die private Schule Schloss Hagerhof mit Gymnasium und Realschule im Ganztagsbetrieb. Etwa 120 Kinder wohnen im Internat. Schloss Hagerhof mit seinen historischen Gebäuden ist bundesweit die einzige Internatsschule, die ihre Arbeit auf den Grundsätzen von Maria Montessori aufbaut.

Als Talentschmiede für den Basketballsport hat sich die Schule seit 1994 einen Namen gemacht. Schwerpunkte liegen in den Bereichen Sport, Musik und Musical sowie Informatik. Seit der Gründung der Schule vor 50 Jahren gab es mehrere Eigentümerwechsel.

Gründer waren seinerzeit einige Eltern. In den siebziger Jahren wurden Schule und Internat in eine Gesellschaft eingebracht. Mitte der neunziger Jahre wurde zunächst ein Trägerverein, dann die jetzige GmbH gegründet. (al)

Gleichwohl: "Als sich der Betroffene am Montag bei uns gemeldet hat, haben wir sofort recherchiert." Es gebe heute noch zwei Erzieher, die schon damals im Internat tätig waren.

Erinnert habe sich dann aber eine Erzieherin im Ruhestand. Ihr hatte sich Mitte der siebziger Jahre besagter Junge anvertraut, der mit dem fraglichen Erzieher Pornofilme schauen musste. Die Erzieherin habe damals die Eltern informiert. Die verzichteten auf eine Anzeige, bestanden aber darauf, dass im Arbeitszeugnis des fristlos entlassenen Erziehers vermerkt werde, er dürfe nie wieder mit Jugendlichen arbeiten.

So sei es denn auch geschehen, berichtete Meisterjahn-Knebel am Donnerstag. Dem Vernehmen nach habe der mutmaßliche Täter anschließend in einem medizinischen Betrieb gearbeitet. Anfang der 2000er starb er.

Eine Recherche im Fall von Peter Schmitz falle schwer, so die Schulleiterin. "Wir wissen nicht, wer damals noch in seiner Gruppe war. Wir haben nur noch Schülerlisten, aber keine Listen der Internatsschüler." Sie habe den Betroffenen gefragt, ob er eine psychologische Begleitung benötige, das habe er jedoch verneint. Etwaige weitere Missbrauchsopfer des früheren Internats lädt die Schulleiterin ein, sich zu melden. Sie biete ihnen an, sich den heutigen Internatsbetrieb anzuschauen.

Meinung Lesen Sie dazu auch den Kommentar: " Schmerzliche Erinnerung"

Für Montessori-Pädagogin Meisterjahn-Knebel machen die beiden inzwischen verjährten Fälle aus den siebziger Jahren deutlich: "In einer Internatssituation muss man immer aufpassen, dass es nicht zu einem Machtmissbrauch kommt." Im Schloss Hagerhof gebe es deshalb Sicherungen.

So sitzen Kinder in allen Gremien, die Wohngruppen sind altersgemischt, in den Wohnhäusern gibt es sowohl Mädchen- als auch Jungengruppen, und unter den zuständigen Erziehern ist immer mindestens eine Frau. Eine Idee für die Zukunft hat sie auch: "Wir denken an, eine neutrale Person außerhalb der Schule zu benennen, an die sich Kinder jederzeit wenden können."

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