Prostituierten-Mord Bonner Gericht tagte im Eroscenter

bonn · Die Richter haben sich im Bordell an der Immenburgstraße einen Eindruck von den Gegebenheiten am Tatort verschafft.

 Gerichtstermin im Eroscenter: In Handschellen steigt der Angeklagt an der Immenburgstraße aus dem Transporter, in dem ihn Justizvollzugsbeamte zum Bordell gefahren haben.

Gerichtstermin im Eroscenter: In Handschellen steigt der Angeklagt an der Immenburgstraße aus dem Transporter, in dem ihn Justizvollzugsbeamte zum Bordell gefahren haben.

Foto: Volker Lannert

Wie ein Lindwurm zog am Dienstagmorgen eine Gruppe von mehr als 30 Personen durch das in ein schummriges rotes Licht getauchte Treppenhaus des Eroscenter an der Immenburgstraße. Die Richter der 1. großen Strafkammer am Landgericht hatten zum Ortstermin in das Bordell geladen, in dem eine 38 Jahre alte Prostituierte am 27. Juni 2009 tot in ihrem Zimmer A-III-2 im dritten Stock aufgefunden worden war.

Der mutmaßliche Mörder, ein 52 Jahre alter Mann aus Sankt Augustin, war wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil jedoch aufgehoben, so dass der Fall erneut vor dem Landgericht verhandelt wird.

Die Staatsanwaltschaft geht weiterhin davon aus, dass der ehemalige Werkstattbetreiber der gesuchte Mörder ist. Der gesundheitlich schwer angeschlagene Angeklagte soll mit einer Kollegin des Opfers den Plan gefasst haben, der 38-Jährigen Opfer die Ersparnisse von angeblich 40.000 Euro zu rauben. Die mutmaßliche Komplizin war wegen Raubes zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Die 36-Jährige wurde zwischenzeitlich aus der Untersuchungshaft entlassen.

Die Prozessbeteiligten wollten sich nun vor allem einen Eindruck davon machen, wie die Lichtverhältnisse in dem engen und steilen Treppenhaus sind. Denn die Frage des Todeszeitpunktes der 38-Jährigen ist immer noch fraglich. Im ersten Prozess war das Gericht von den frühen Morgenstunden ausgegangen. Inzwischen wird davon ausgegangen, dass die Prostituierte zwischen sieben Uhr morgens und dem späten Mittag gestorben ist.

Genau zur Mittagszeit wollen zwei Kolleginnen das Opfer zuletzt gesehen haben. Wie sich beim Ortstermin herausstellte, war das Zimmer der einen Zeugin direkt an der Treppe, sie hatte also beste Sicht. Ihren Schilderungen zufolge war die Getötete an jenem Mittag noch im Keller duschen - auch die Dusche im dunkel verfliesten Keller, der den Charme eines alten Sportlerheimes versprüht, wurde in Augenschein genommen.

Durch das Gebäude wurden die Prozessbeteiligten von einer Putzfrau geführt, die seit 16 Jahren in dem Etablissement arbeitet. Sie hatte nach eigenen Angaben etwa gegen zehn Uhr des Tattages ihre Runde gemacht und war davon ausgegangen, dass die 38-Jährige noch schläft.

Der Angeklagte hatte beim Aussteigen aus dem Gefangenentransporter noch einmal wortgewaltig seine Unschuld beteuert. Er behauptete, die Ermittlungen wären von Anfang an nicht korrekt gelaufen. So seien Beweise unter den Tisch gekehrt worden.

Nach etwa 40 Minuten beendete der Kammervorsitzende Hinrich de Vries den Ortstermin an der Immenburgstraße. Der Prozess wird im April fortgesetzt.

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