Johanneskreuz in Bonn Anwohner lösen heftige Debatte bei Facebook aus

BONN · Es war eine spontane Entscheidung, geboren aus dem Gefühl von Wut, Fassungslosigkeit und Hilflosigkeit: Als Oliver Leon Ueberholz am Sonntag zum wiederholten Male mit betrunkenen Randalierern vor seiner Haustüre an der Straße "Am Johanneskreuz" aneinandergeriet, setzte er sich hin und schrieb einen offenen Brief an Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch.

Was war passiert? Ueberholz wollte kurz vor seiner Wohnung parken, und die schweren Einkäufe nach oben tragen. Auf der Straße hätten jedoch wieder mal Betrunkene gesessen. Er habe sie gebeten, Platz zu machen, daraufhin sei er beschimpft und beleidigt worden.

Dies sei der letzte von vielen Vorfällen gewesen. In dem Brief an Nimptsch schildert Ueberholz die Situation und wirft Ordnungsamt und Polizei Untätigkeit vor. Das Schreiben veröffentlicht er auf Facebook.

Wenige Stunden später hatte er hunderte Reaktionen. "Bis heute Mittag waren es 1500", sagte Ueberholz dem GA am Dienstag. Die meisten Kommentatoren gratulieren Ueberholz zu seinen deutlichen Worten und bestätigen, was er schreibt. "Kenne den Ort, das geht gar nicht. Die lungern sogar in den Hauseingängen rum", schreibt ein Kommentator.

Und Sandra Roggow sagt: "Ich drück Euch ganz fest die Daumen, dass ihr endlich erhört und von dem Problem erlöst werdet." Angst hat Ueberholz auch um seine Lebensgefährtin und das sieben Monate alte Baby; regelmäßig würde die Lebensgefährtin angesprochen und belästigt.

Einmal sei er mit dem Messer bedroht worden, wenige Stunden später habe der Mann erneut vor seiner Türe gesessen. Ein Notruf bei der Polizei, mit der Bitte, den Mann wegzuschicken, sei ergebnislos gewesen. "Die eine Hälfte des Problems sind also diese Leute, die andere die Reaktionen der Behörden", so Ueberholz.

Polizei und Ordnungsamt wirft er fehlende Arbeitsmoral vor. Anstatt die Randalierer und Störer zur Rechenschaft zu ziehen, würden die Mitarbeiter des Ordnungsamtes ihn bei Beschwerden zurück in die Wohnung schicken. Schuld an der Misere ist laut Ueberholz die Tatsache, dass die Drogenszene sich nach dem Alkoholverbot am Bonner Loch in die Altstadt verlagert hat.

Andere Anwohner bestätigen, was Ueberholz schreibt, so auch Sonja Warndorf. Sie wohnt seit 1980 in der Altstadt und kommt regelmäßig in die Kneipe am Johanneskreuz. "Im Moment ist es katastrophal", sagt sie.

Das Problem ist nicht neu. Bei einer Sicherheitskonferenz im Juni beschwerten sich viele Bewohner der Altstadt unter anderem über die Verlagerung der Szene, offenen Drogenhandel und zunehmende Gewaltbereitschaft. Anwohner und Geschäftsleute am Johanneskreuz ergriffen wegen der Situation bereits vor Monaten die Initiative, sie verdrängten die Trinker von den Betonsitzen, indem sie Pflanzkübel aufstellten.

Einige von ihnen sagen, dass sich die Situation gebessert hat. "Es war schon deutlich schlimmer", sagt Jörg Altendorf, der vor einem Jahr mit seinem Schlüsseldienst an den Platz zog. "Wir fühlen uns durchaus wohl." Der harte Kern der Szene sei "in der Regel friedlich", lediglich einige Neulinge würden ab und zu für Aufregung sorgen. Das bestätigt Ralph Hoppe vom benachbarten Musikladen.

Für die Streetworkerin Stephanie van den Broeck, die regelmäßig vor Ort ist, ist die Situation normal. "Das ist ein öffentlicher Raum, der Sommer lädt viele Menschen ein, draußen Platz zu nehmen", so van den Broeck. Derzeit hielten sich deutlich weniger Menschen als früher auf dem Platz auf, meint van den Broeck, die an die "Toleranz und Gesprächsbereitschaft" der Anwohner appelliert.

Polizeisprecher Harry Kolbe weist den Vorwurf der Untätigkeit zurück. "Wenn wir konkrete Anhaltspunkte für Straftaten haben, werden wir tätig", so Kolbe. Aber: "Die Bonner Polizei ist nicht für die Verdrängung dieser Klientel da." Wenn diese einfach nur zusammenstehe und gröle, gebe es keine "Rechtsgrundlage" zum Eingreifen.

"Hinsetzen und Bier trinken ist nicht verboten", sagt Stadtsprecherin Elke Palm. Die Stadt habe in diesen Fällen keine "Handhabe, die Menschen dort zu vertreiben". Dies ginge nur, wenn die Klientel anfinge, die Bürger zu belästigen, zum Beispiel indem sie handgreiflich werde.

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