Zustand der Gebäude der Zurich Gruppe ist nicht mehr zeitgemäß

Zu den Artikeln "Zurich Versicherungsgruppe verlässt Bonn: 1500 Jobs weg", "Umzug ein Schlag für Bonns Stadtkasse" und zum Interview mit dem Wirtschaftsexperten Prof. Hermann Simon ("Der nächste OB muss mehr tun"), erschienen am 9. und 10. Januar

 Noch wehen die Fahnen der Zurich Versicherung vor der Zentrale in Bonn. Das Unternehmen will nach Köln umziehen.

Noch wehen die Fahnen der Zurich Versicherung vor der Zentrale in Bonn. Das Unternehmen will nach Köln umziehen.

Foto: Volker Lannert

Einer der Vorteile einer Tageszeitung: Wer sie regelmäßig und aufmerksam liest, sieht Zusammenhänge, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Zum Beispiel zur Wirtschaftsförderung - nicht nur in Bonn.

Den wichtigsten Beitrag zur Bonner Wirtschafts"förderung" anlässlich des Zurich-Umzugs hat Julian Stech geleistet: durch sein Interview mit Hermann Simon. Simon nennt ein Problem des vielbeschworenen demografischen Wandels, das bisher völlig übersehen worden ist: die kulturellen Folgen alternder Gesellschaften für die Dynamik von Arbeitsmärkten. Gegenwärtige Ruheständler mögen eine hohe Kaufkraft haben - mancher von ihnen will vor allem seinen Ruhestand. Simon nennt zu Recht die Nörgler seiner (und meiner) Generation, die auch noch die wenigen Ansätze von Bonner Jugendkultur in Nicht-Erreichbarkeits-Zonen zu verbannen versuchen.

Nun verweist die Wirtschaftsförderung gerne auf den sehr niedrigen Leerstand in Bonn, was auch für das Zurich-Areal hoffen lässt. Schließlich lautet die Schlagzeile des Interviews mit dem ICLEI-Generalsekretär im GA vom 13. Januar "Bonn ist als Standort geeignet". Nur: Wer weiterliest, erfährt etwas über das Finanzierungs-Konzept: unter anderem Förderung durch Städte. Sind öffentlich geförderte Ansiedlungen von Organisationen der Königsweg für Bonn? Sicher: Der UN-Campus zum Beispiel ist ein Segen für die Stadt. Und die Wirtschaftsförderung wird darauf verweisen, dass hier ja Einkommen entstehen, an denen direkt und indirekt Bonn beteiligt ist.

Allerdings: Bonn ist erstens an der Einkommensteuer seiner Bewohner mit 15 Prozent, an der Umsatzsteuer mit 2,2 Prozent beteiligt. Die Gewerbesteuer hingegen verbleibt zu rund 80 Prozent der Stadt. Zweitens hat die Stadt bei der Gewerbesteuer im Unterschied zu anderen Steuern ein eigenes Entscheidungsrecht. Bedeutet: Die Bonner Wirtschaftsförderung darf nicht allein auf die Zahl der Arbeitsplätze und die Belegung von Immobilien setzen. Sie muss sich - wohl intensiver als bisher - auch um die Gewerbesteuer-Zahler kümmern.

Wolfgang Reeder, Unkel

Rhein-Sieg-Landrat Schuster behauptet, "dass der Wirtschaftsstandort Bonn ohne Südtangente dauerhaft Schaden" nimmt. Das ist schlicht und einfach Unsinn. Bonn hat sich auch ohne Südtangente gut entwickelt und wird dies auch weiterhin tun.

Die Argumentationslinie des Landrates ist sowohl unzutreffend als auch ärgerlich, da beispielsweise für den Wegzug der Zurich Gruppe sicherlich andere Gründe ausschlaggebender sind, als das Fehlen der Südtangente. Hier wird eine betriebswirtschaftliche Unternehmensentscheidung instrumentalisiert, um dieses völlig unsinnige Projekt voranzutreiben.

Der Grund, warum die Zurich Gruppe Deutschland seit längerem über eine Veränderung ihrer Unterbringung nachdenkt, ist der nicht mehr zeitgemäße Zustand sowohl der Gebäude in der Poppelsdorfer Allee als auch in Köln. Dass nun eine Zusammenlegung im Kölner Randgebiet angestrebt wird, hat sicher viele Gründe, aber nicht die fehlende A3-Anbindung.

Auch die Autobahnen rund um Köln sind regelmäßig verstopft - und das wird sich auch auf lange Sicht nicht ändern. Und wenn schon umgezogen wird, macht ein Neuanfang auf der grünen Wiese wirtschaftlich Sinn. Damit hatte Bonn aber nie eine Chance, hier gibt es schlicht und einfach keinen Platz. Des Weiteren sollten Wirtschaftsstandorte in Städten für die Angestellten vor allem mittels ÖPNV erreichbar sein und nicht überwiegend mittels motorisierten Individualverkehrs.

Last but not least wäre die Südtangente eine Fernverkehrsachse quer durch Bonn, das wird in der Diskussion immer verschwiegen. Die Berufspendler und die regionalen Handwerker würden jeden Morgen und Abend mit holländischen und französischen Lastwagen im Stau stehen. Statt polemisch "sachliche Diskussionen ohne Denkverbote zu fordern", sollte der Landrat und die Rhein-Sieg-CDU über eine zeitgemäße, menschen- und umweltverträgliche Verkehrspolitik nachdenken.

Uwe Labatzki, Bonn

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