Wie sieht die Zukunft der Städte aus?

Zum Kommentar "Die Einigung zur Mietpreisbremse - Im Ergebnis Bauruinen" von Markus Grabitz, erschienen am 24. September

 Die Fassaden von Wohnhäusern aus der Kölner Südstadt: Für viele Menschen sind die Mieten in Ballungsräumen inzwischen nicht mehr bezahlbar.

Die Fassaden von Wohnhäusern aus der Kölner Südstadt: Für viele Menschen sind die Mieten in Ballungsräumen inzwischen nicht mehr bezahlbar.

Foto: dpa

Der Kommentar erscheint mir etwas schräg. Erst am Montag erschien ein doppelseitiger Artikel über "Stress and the City", dem ich nur beipflichten kann. Groß geworden in Berlin, bin ich heute froh, außerhalb von gedrängten Großstädten zu leben. Und immer wieder lese ich, dass die Städte komplett zugebaut werden. So soll auf dem letzten "Filetstück der Innenstadt in Hennef" ein Wohn-/Geschäftshaus entstehen. Jede Baulücke wird geschlossen. Da geht einem ja die Luft zum Atmen aus. Herr Grabitz schlägt auch noch vor, die letzten Kleingärtner zu vertreiben: wie hässlich. Das letzte bisschen frische Luft und das Landleben in der Stadt sollten erhalten bleiben.

Weiterhin schlägt Herr Grabitz vor, in die Höhe zu bauen. Nein, Herr Grabitz, lassen Sie uns bloß nicht in die Bausünden aus dem vorigen Jahrhundert verfallen; Hochhäuser werfen Schatten in jeder Hinsicht. Das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage wird schon funktionieren. Wenn es auf dem Lande viel billiger ist, dann wird auch der Trend wieder dorthin gehen. Das haben wir schon erlebt und es wird sich wiederholen. Aber dann werden wir die Bauruinen in den Städten haben. Der Bauwahn in den Städten sollte endlich gestoppt werden. Ich bin immer völlig entsetzt, wenn ich sehe, wie gedrängt alles bebaut wird - um möglichst jede Ecke auszunutzen. Dabei haben wir doch genug Platz auf der Erde. Das enge Leben ist nicht schön und macht zudem dauerhaft krank; genau das ist in dem Artikel "Stress and the City" sehr schön beschrieben worden. Es lohnt sich, den Artikel zu lesen.

Sigrid Schiefen, Hennef

Die Regierung hat soeben ihre "Mietpreisbremse" verkündet, die 2015 in Kraft treten soll. Bei Neuvermietungen soll die Miete nur maximal zehn Prozent höher werden dürfen. Für die vielen Mieter, die gerade die Opfer der energetischen Sanierung ihres Miethauses geworden sind, muss diese Ankündigung wie Hohn klingen, denn vor den oft unerträglich hohen Mietsteigerungen, die ihnen anschließend abverlangt werden, schützt sie die Regierung nicht - im Gegenteil: Sie hat diese Möglichkeit selbst durch Gesetze geschaffen und sie will, dass bis 2050 der Energieverbrauch aller Häuser um 80 Prozent sinken soll. Dazu dient die energetische Sanierung, die in erster Linie durch eine teure Fassadendämmung mit dicken Styroporplatten ausgeführt wird. Und die Hausbesitzer dürfen jährlich elf Prozent dieser Kosten auf die Mieten aufschlagen.

Was das bedeutet, hat die ARD in der Dokumentation "Der Mietreport - Wenn Wohnen unbezahlbar wird" gezeigt. So wurde einer vierköpfigen Berliner Familie, die in einem älteren Haus zu einer Miete von 645 Euro wohnt, nach einer umfassenden Energiesanierung eine Mieterhöhung von 2282 Euro präsentiert (insgesamt also 2927 Euro), was eine Mietsteigerung um das 4,5-fache bedeutet. Wegen der dampfundurchlässigen Styroporpanzerung der Fassade war eine neue Zwangsbelüftung installiert worden, um Schimmelbildung zu verhindern. Rechtsberater klärten die entsetzten Mieter darüber auf, dass alles rechtens und gültig sei. Wie dieser Fall ausgeht, kann man sich vorstellen: Diese Mieter werden wohl ausziehen müssen.

Der zweite präsentierte Fall betraf eine Rentnerin aus Pankow, die in einem Mietshaus einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft zu 385 Euro Warmmiete wohnt. Auch sie hat eine Energiemodernisierungsankündigung erhalten und muss nun 596 Euro zahlen. Das sind 50 Prozent ihrer Rente.

Professor Pfnür von der TU Darmstadt teilte dazu das Ergebnis seiner Studie zu den Folgen dieser Entwicklung mit: Wenn das Energieeinsparziel von 80 Prozent bestehen bleibt, würde die Hälfte aller Mieter zwischen 45 und 50 Prozent ihres Einkommens für die Wohnung zahlen müssen. Wie wir inzwischen von wissenschaftlichen Beratergremien der Regierung, vom Weltklimarat IPCC, von der EU-Kommission und von zahlreichen weiteren Fachkreisen und Verbänden gesichert wissen, sind sämtliche Anstrengungen Deutschlands zur Verringerung der CO2-Emissionen völlig sinnlos, weil der EU-Zertifikatehandel für CO2-Emissionen dafür sorgt, dass für jede mühsam und teuer eingesparte Tonne CO2 exakt die gleiche Menge von einem anderen EU-Mitgliedsland zusätzlich ausgestoßen werden darf. Die Nettowirkung der deutschen Maßnahmen ist also Null. Dafür dürfen die Mieter ausgeplündert und auch aus ihren Wohnungen vertrieben werden. Die Abschaffung dieser unsinnigen Gesetze wäre die wahre Mietpreisbremse.

Günter Keil, Sankt Augustin

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