Weiter Streit um die Bogida-Demonstration

Zu den Artikeln "Konfrontation am Kaiserplatz" und "Viele Passanten schauen ratlos zu" sowie zum Kommentar "Bedrohliche Szenen" von Rüdiger Franz, erschienen am 16. Dezember sowie zu Leserbriefen vom 18. Dezember

 Voller Gegendemonstranten des Bündnisses "Bonn stellt sich quer" war die untere Hälfte des Kaiserplatzes.

Voller Gegendemonstranten des Bündnisses "Bonn stellt sich quer" war die untere Hälfte des Kaiserplatzes.

Foto: Vogel

Es ist leicht, sich der Bogida-Demonstration querzustellen, denn damit handelt man nach allgemeiner Denke politisch korrekt. Man dokumentiert jedem sichtbar Weltoffenheit, Toleranz und duldet selbstverständlich keine Nazis.

Gleiches gilt für mich, aber ich finde mich bei den sogenannten "Querstellern" nicht wieder. Ich stelle durchaus eine Islamisierung meiner Lebensumwelt fest.

In Bonn und Umgebung gibt es eine zunehmende Präsenz strenggläubiger Muslime im öffentlichen Raum - auch bei uns in Wachtberg leben seit einiger Zeit Vollverschleierte. Kindergärten, Schulen und Sportvereine müssen sich zunehmend mit den religiösen Ansprüchen konservativer Muslime auseinandersetzen. Von Vertretern der evangelischen Kirche wünsche ich mir hier eine stärkere Differenzierung und mehr Rückgrat.

Birte Kümpel, Wachtberg

Fünf Prozent Muslime in Deutschland. Islamisierung des Abendlandes? Da schießt einem ja die Morgenröte ins Gesicht, das ist doch peinlich. Schauen wir uns lieber mal wirklich beunruhigende Zahlen an, und da es uns Deutschen anscheinend so schwer fällt, über den Tellerrand zu schauen: Was ist denn auf dem Teller drauf? Etwa unsere gute deutsche Kartoffel?

Nein, oftmals Spaghetti. Himmel. Wie viele Menschen in diesem Land essen Spaghetti? 50, 60 oder gar 80 Prozent?

Das ist doch eindeutig eine Beilage mit Migrationshintergrund - ein Gastwirtschaftsflüchtling. Dürfen wir in zwei Jahren etwa keine Kartoffel mehr essen? Oder heißt die dann Patata? Hilft da vielleicht PEGSPADA, Patriotische Europäer Gegen Die Spaghettisierung des Abendlandes?

Nein, im Ernst, meine Bitte zu Weihnachten: Lasst uns unseren Nachbarn einen Gruß vorbeibringen, ein paar Kekse vielleicht. Darüber freut sich jeder, ob Muslim, Buddhist oder Christ. Und lasst uns zeigen, dass wir nicht Deutsche, Europäer oder Patrioten sind, sondern in erster Linie Menschen - nur eben in einem Land, das in Sachen Gastfreundschaft vielleicht noch etwas Nachhilfe braucht.

Mirko Stollenwerk, Bornheim

Demonstrationen bringen, unabhängig von deren Inhalten, auch Nachteile mit sich, nicht nur für Einzelhändler in der von den Demonstrationen betroffenen Regionen, sonder auch für die gesamte Öffentlichkeit wie öffentliche Verkehrsmittel, Straßenverkehr, Fußgängerverkehr. Dafür muss im Rahmen des generellen Demonstrationsrechtes Verständnis aufgebracht werden.

Kein Verständnis kann es dagegen geben, wenn Demonstranten selbst Straßen und Fußwege versperren und und dadurch Fahrzeuge und Fußgänger am Weiterfahren/-gehen hindern, wie am letzten Montag bei der Protestbewegung Bogida durch Gegendemonstranten an den Fußwegen "Am Neutor" und am Kaiserplatz geschehen.

Dadurch waren nicht nur die Einzelhändler an beiden Orten benachteiligt, sondern auch über 300 Besucher und Teilnehmer einer öffentlichen Generalprobe für ein Konzert in der Kreuzkirche, die durch den Haupteingang durch das Verhalten der Gegendemonstranten nicht betreten werden konnte. Die Sperrung von Fußwegen ist nach wie vor Aufgabe der Ordnungskräfte/Polizei und nicht von Privatpersonen/Demonstranten.

Peter Groscurth, Bonn

Als Teilnehmer der "Bonn-stellt sich-quer"-Demonstration am letzten Montag habe ich mich heute sehr über die Leserbriefe von Jutta Schulz und besonders Pfarrer Siegfried Eckert gefreut. Herrn Eckerts deutliche Kritik an Ihrer Berichterstattung zum Thema teile ich voll und ganz.

Ich bin demonstrieren gegangen, weil ich es als große Bedrohung empfinde, dass in unserem Land gerade eine fremdenfeindliche Massenbewegung entsteht, und rechtsradikale Gruppen zumindest in Dresden sehr erfolgreich ihre gesellschaftliche Isolation überwinden. Die Demonstration gegen Bodiga habe ich zunächst vor allem als sehr tröstlich empfunden, weil so viele und ganz unterschiedlich Menschen gekommen sind.

Allen war die Erleichterung darüber anzumerken war, dass in ihrer Stadt zumindest an diesem Abend kein machtvoller fremdenfeindlicher, von Rechtsradikalen organisierter Demonstrationszug stattfinden konnte. Es war wirklich sehr schön.

Man muss nicht "links" sein, um gegen Bodiga zu demonstrieren. Die Pediga-Bewegung und ihre Ableger sind, abgesehen davon, dass sie zur Zeit sämtliche Muslime in Deutschland in Angst und Schrecken versetzen, eine ernsthafte Bedrohung für alle Menschen, die Wert darauf legen, ohne Angst in einem zivilisierten und demokratischen Land zu leben.

Wenn am nächsten Montag hoffentlich viele Menschen mit allen möglichen, auch konservativen Weltanschauungen sich auf diesen gemeinsamen Nenner einigen könnten und mit "Bonn-stellt-sich-quer" auf die Straße gingen, wäre viel gewonnen.

Olaf Guercke, Bonn

Darf man dem Wort eines Pfarrers widersprechen, die Formulierung "Demonstranten und Gegendemonstranten stehen sich am Kaiserplatz gegenüber" suggeriere, "es handele sich um zwei gleichberechtigte Gruppen".

Auch wenn man das Engagement der Gegendemonstranten nur unterstützen kann, was das Demonstrationsrecht angeht, sind in der Tat beide Gruppen gleichberechtigt, denn es handelte sich doch wohl um eine angemeldete, genehmigte und damit legale Demonstration.

Wer jemanden darin hindert, gewaltfrei zu demonstrieren - und dazu gehört für mich auch die öffentliche Redefreiheit, selbst wenn deren Inhalte mir noch so sehr missfallen mögen -, ist zumindest kein "lupenreiner Demokrat". Insofern hat Herr Franz absolut recht mit seiner zitierten Formulierung und gehört nicht in eine verdächtige Ecke gestellt.

Damit kein Missverständnis aufkommt: ich bin weder naiv gegenüber Gewaltszenarien noch ein Sympathisant von extremistischen Brandstiftern jeglicher Couleur.

Wolfram Kuster, Bonn

Der Leserbrief von Herrn Pfarrer Eckert spricht mir so sehr aus dem Herzen, dass ich nicht anders kann, als ihm dafür öffentlich zu danken. Besser hätte ich meine Empörung über den Artikel von Rüdiger Franz nicht formulieren können. Wir waren als kleine Gruppe, die keiner Partei und keiner Organisation angehört, "mitten drin" und keiner von uns wollte und will Gewalt.

Und wir werden auch nächsten Montag wiederkommen und uns, wenn es sein muss, lauthals rassistischen Parolen entgegensetzen, denn "wer schweigt, stimmt zu". Friede auf Erden kommt mir dabei schwer über die Lippen. Aber wünschen dürfen wir uns das alle.

Adelheid Sondermann-Topuzoglu, Bonn

Viele der Bogida-Freunde müssen wissen, dass wir im Westen lebende Muslime sehr häufig in unserer Heimat nicht als waschechte Muslime betrachtet werden. Die meisten hiesigen Muslime haben nach Bekanntschaft mit westlichen philosophischen und kulturellen Werten gelernt, die islamischen Werte besser zu schätzen und besser wahrzunehmen, als das, was wir von unseren Eltern gelernt haben. Ich möchte mit Nachdruck betonen:

Wir sind nicht zum Missionieren nach Deutschland gekommen. Vielmehr ist unser Islam europäisiert worden.

Unser Islam lehnt die Gewalt, Unterdrückung und Ausbeutung absolut ab.

Wir Muslime in Europa interpretieren unseren Islam als ein Dokument zur Wahrung und Pflege der Menschen- und Bürgerrechte.

Die Umwelt zu schützen, die Alleinherrschaft zu bekämpfen und sich für Gerechtigkeit einzusetzen, ist ein Teil unserer Verpflichtung zum Tohid, zur Wahrung der Schöpfung geworden.

Wir Muslime können Schulter an Schulter mit allen Demokraten zur Wahrung des Friedens im Westen, aber auch in der ganzen Welt beitragen.

Wer von den Bogida-Freunden die Invasion der Migranten ursächlich bekämpfen will, möchte sich mit uns gegen die militärischen Einmischungen des Westens in den unterentwickelten Gebieten einsetzen.

Dr. med. Hossein Pur Khassalian, Bonn

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