Egon Bahr war ein Vorbereiter der Wiedervereinigung

Zum Leserbrief von Klaus-Henning Rosen "Wo warst Du, Egon Bahr, als die Mauer aufging", erschienen am 10. November

Über den Leserbrief des Herrn Klaus-Henning Rosen, der sich als Kronzeuge gegen Egon Bahr aufspielt zu der Frage, ob Herr Bahr anlässlich des Mauerfalls nach Berlin gebeamt wurde oder mit Willy Brandt angereist sei, bin ich ziemlich entsetzt. Seine Rechtfertigung, da Willy Brandt als "Kanzler der Ostpolitik seinen Egon Bahr von Todes wegen nicht mehr richtigstellen kann, wenn dieser Stationen auf dem Weg zur deutschen Einheit unzutreffend darstellt, muss ich dies als sein früherer Mitarbeiter tun", ist meines Erachtens schlicht albern.

Ich bezweifle, dass Willy Brandt, der sich immer um das Große und Bedeutende für unser Land und die Menschen gekümmert hat, einen solch kleinkarierten Interviewkrieg gutgeheißen hätte. Herr Rosen hat sich von Willy Brandts Fähigkeit, das Wesentliche vom Unwichtigen zu unterscheiden, anscheinend nichts abgeschaut.

Das Wesentliche ist, dass Egon Bahr und Willy Brandt tandemartig viele Jahre daran gearbeitet haben, durch Abkehr von der alten, konservativen Hardliner-Politik langsam und kontinuierlich die Politik der Entspannung zwischen Ost und West, insbesondere zwischen den beiden deutschen Staaten,+ voranzutreiben.

Beide Politiker haben Hand in Hand gearbeitet und die Wiedervereinigung geduldig und hartnäckig vorbereitet, weshalb sie zu den Großen der Nachkriegsgeschichte gehören.

Natürlich ist es ein zauberhaftes Erlebnis, wenn zum Zeitpunkt des eintretenden Erfolges jeder, der diesen Erfolg vorbereitet hat, pünktlich an der Stelle des Geschehens ist, sich vor Ort mitfreuen und sein Gesicht in die Kamera halten kann. Nur ist das für das historische Ereignis Mauerfall und Wiedervereinigung nebensächlich.

Brigitte Vornehm-Berger, Bonn

In seinem Buch "329 Tage" berichtet Horst Teltschik auf den Seiten 16 bis 30 minutiös über die Ereignisse vom 10. und 11. November 1989 und beschreibt seine und des damaligen Kanzlers angenehmen und weniger angenehmen Kontakte mit Dritten. Er nennt sie alle, von Gorbatschow und Jaruzelski über Momper, Brandt, Genscher, Wohlrabe bis zu Mitterrand, M. Thatcher und G. Bush (Vater), um hier nur einige namentlich aufzuführen; Egon Bahr kommt nicht vor.

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die von Horst Teltschik geschilderten Zeitabläufe, sofern sie Berlin betreffen; auch sie wecken Zweifel. So bleibt mir nur, den Berichten von Frau Seebacher-Brandt, Herrn Teltschik und dem ehemaligen Büroleiter von Willy Brandt, Herrn Rosen, Glauben zu schenken und die Frage zu wiederholen: "Wo warst Du, Egon Bahr, als die Mauer aufging?"

Ortwin Blawert, Niederkassel-Mondorf

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort