"Die Vernunft hat sich durchgesetzt"

Zu den Berichten über das Projekt Beethoven-Festspielhaus in Bonn, das nach dem Ausstieg der Deutschen Post DHL Group geplatzt ist, sowie zum Kommentar "Ein Ende mit Schrecken" von Helge Matthiesen vom 17. Juni

Endlich hat Schilda ein Ende. Das WCCB funktioniert, die Beethovenhalle wird mit Unterstützung ihrer Freunde und Förderer saniert, die Stadt wird auch wieder im Schulterschluss regiert und nicht von Gut- oder Wutbürgern. Frank Appels Ruck sitzt. Den Festspielhausbegeisterten sei aber herzlich für ihren Einsatz gedankt.

Dr. Claus Recktenwald, Bonn

Nun ist es also entschieden und die Politik ist sehr schnell dabei, sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen. Dabei wäre der einzig mögliche Weg gewesen, das Projekt parallel zur Kommunalwahl im letzten Jahr in einem Bürgerentscheid zu entscheiden. Woher nehmen die Politiker im Rat eigentlich die Arroganz, über Millionenbeträge der Bürger zu entscheiden, ohne dafür wirklich ein Mandat zu haben. Das ist zwar nach den Gesetzen legal, aber längst nicht mehr legitim.

Die Politik und die Verwaltung streiten sich seit Jahrzehnten über Oper, Ennertaufstieg, Schwimmbäder und Hardtbergbahn. Formuliert das endlich in sechs knackige Fragen, drei Monate Wahlkampf und dann wird das Ganze durch die Bürger entschieden. Mit der Umsetzung haben die gewählten Politiker dann noch mehr als genug zu tun.

Stefan Fassbender, Grafschaft-Leimersdorf

Als Neubürger Bonns waren für mich bislang die Schildbürgerstreiche meiner Vaterstadt Köln nicht zu überbieten. Bonn aber hat es geschafft. Wie konnten ein Stadtrat und eine Verwaltung zunächst die Vollfinanzierung eines Festspielhauses durch drei Dax-Unternehmen vergeigen und jetzt auch noch die Rettung durch die Post und vielfältiges privates Engagement durch bürokratische Mühlsteine zermahlen?

Dazu das provinzielle Gebaren der jahrelangen WCCB-Groteske. Aber ist dies alles wirklich Dummheit? Oder nicht doch ein arrogantes verhaften an alten Bundeshauptstadtgenusszeiten, wo zum Wohle der Bundesrepublik städtisches Unvermögen kaschiert und finanziert wurde. Bonn - Du bist in der Zwischenzeit erwachsen und für Dich selbst verantwortlich. Du brüstest Dich allzu gerne mit Beethoven, dem Sohn dieser Stadt. Aber hat so ein großer Sohn eine solche Stadt verdient?

Werner Reuter, Bonn

Mag sein, dass im Bereich des Jenseits das Geschäftsmodell "Glaube" noch einigermaßen erfolgreich ist, im Diesseits sind aber heutzutage immer mehr überprüfbare Fakten gefragt. Kein Wunder also, dass die "Glaubensgemeinschaft Festspielhaus" gescheitert ist.

Weder ein Gutachten "mit Geschmäckle" (genannt Businessplan) noch die gebetsmühlenartige Wiederholung von Halb- und Unwahrheiten konnten die Mehrheit der Bonner von der Sinnhaftigkeit eines neuen Festspielhauses überzeugen.

Dies um so weniger, als jeder Bürger ohne großes Nachdenken eine Vielzahl von "Baustellen" benennen kann, an denen sich Gestaltungswille und visionäre Innovationskraft abarbeiten könnten.

Und zwar so, dass alle Bürger etwas davon haben und nicht nur eine selbst ernannte Kulturelite. Allerdings dürfte der Glaube, dass sich nun in Bonn etwas zum Besseren wendet, eben auch nur dies sein: ein Glaube.

Gustav Heyer, Bonn

Besonders ambitioniert wirkte das Vorhaben, ein Festspielhaus für die Stadt Bonn zu realisieren, für den Bürger nie. Von Anfang an hatte man das Gefühl, dass aus der Tristesse städtischer Amtsstuben und einer orientierungslos wirkenden Stadtspitze mit vielen hausgemachten Problemen (Südüberbauung, WCCB) nicht viel zu erwarten war.

Umso erstaunlicher war die Geduld der vielen bereitstehenden Geldgeber, an dem Projekt festzuhalten. Dass sich die Post nun verabschiedet, war überfällig und ein Signal an die Kommunalpolitik, deren Agieren sich allein an den kleinen politischen Erfolgen zu orientieren versucht, das große Ganze dieser Stadt mit den enormen Potenzialen schon seit langem aus dem Auge verloren hat.

Markus J. Sauerwald, Bonn

Die Deutsche Post AG hat ihre 30 Millionen Euro-Zusage zurückgezogen, wie Herr Zernack im Leserbrief vom 16. Juni bereits empfiehlt. Nach der Zurückhaltung des Rhein-Sieg-Kreises und den Risiken des Businessplanes kann ich das gut verstehen.

Seit Jahrzehnten besuche ich von Duisburg aus - und nach meinem Umzug nach Bad Neuenahr - von hier aus mit meiner Frau in regelmäßigen Abständen die Beethovenhalle - meist mit den ausgezeichneten Konzerten des Beethoven Orchesters. Wir sagen uns immer wieder, was hat man nur gegen diese Halle in der fantastischen Lage am Rhein. Ich höre, dass man viel Geld in die Renovierung dieser Halle investieren will. Warum dann nicht das gleiche machen wie in Essen mit dem Saalbau?

Leider hat auch Herr Knudsen (Leserbrief vom 16. Juni) nicht ganz unrecht, wenn er schreibt, dass man 2020 eher nach Wien blicken wird als nach Bonn. Geburtsort her oder hin, Beethoven ist in Wien groß geworden.

Wolfgang Meisen, Bad Neuenahr

And the winner is: Cologne. Da freut sich die Kölner Philharmonie, dass es kein Bonner Festspielhaus geben wird. Ein Konkurrent weniger. Da in Bonn zudem die Existenz einer eigenen Oper umstritten ist, das Beethoven Orchester als zu teuer angesehen wird und die Kammerspiele eingespart werden sollen, empfiehlt es sich, doch den ganzen teuren Kulturkram nach Köln zu verscherbeln. Am besten liefert man die kommunale Selbstständigkeit gleich mit und ersucht die Domstadt um Eingemeindung.

Die kleine Stadt am Rhein will ihre Ruhe haben und in ihrem Tiefschlaf nicht gestört werden (keine laute Musik nach Sonnenuntergang). Nun haben Rat und Verwaltung dieser Stadt bekanntlich ein glücklichen Händchen für Pleiten, Pech und Pannen. Das erleichtert die Versenkung von Leuchttürmen wie eben den eines "international herausragenden Festspielhauses".

Wozu brauchen wir auch Leuchttürme? Wozu braucht man diesen Bonner Oberbürgermeister? Erst bremst er das Projekt Festspielhaus aus und lässt es fünf Jahre lang im Stillen vergammeln, um dann, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, mit Krokodilstränen in den Augen von einer "verpassten Chance für Bonn" zu jammern.

Vor dem Hintergrund des nicht enden wollenden Gewürges um Schwimmbäder, Südüberbauung, Nordfeld, Stadthaus, Viktoriakarree, WCCB, Hardtberg-Bahn) macht es angst und bange, wenn die Stadt nun ankündigt, über "Alternativen" zur Feier von Beethovens 250. Geburtstag im Jahr 2020 nachzudenken. Wo wird das enden? Selbstredend im Fiasko.

Dieter Hüsken, Alfter

Endlich kommt die erlösende Nachricht, endlich setzt sich die Vernunft durch: Der Bau des Festspiel-Hauses in Bonn wird nicht durchgeführt. Die Deutsche Post DHL Group hat ihre Zusage zur Förderung dieses größenwahnsinnigen Projektes mit nicht überschaubaren Folgekosten zurückgezogen, weil der "notwendige Schulterschluss" in Bonn ausgeblieben sei.

Wir Kritiker dieses Projektes können stolz darauf sein, es zum Wohle der Stadt verhindert zu haben. Das waren wir auch unseren Kindern und unseren Enkeln schuldig. Mit Verlaub gesagt: Das Jubiläumsjahr für Beethoven 2020 interessiert keinen Menschen auf der Welt. Beethoven wird immer mit der Weltstadt Wien verbunden bleiben, wo er lebte und arbeitete, und nicht mit dem Bundeshauptdorf Bonn. Bonn kann sich in seiner derzeitigen desolaten finanziellen Situation kein Festspielhaus leisten. Es wäre das falsche Signal zur falschen Zeit für diesen Ort gewesen.

Winfried Brinkmeier, Bonn

Vielen Dank, Herr Appel, dass Sie die Bonner Bevölkerung durch Ihren Rückzug aus der Utopie Festspielhaus vor millionenschweren Erschließungskosten, zu erwartenden deutlichen Bauverteuerungen und langjährig mitzutragenden Betriebskosten gerettet haben. Vielleicht hat das neue Gutachten, nach welchem regelmäßig jährliche Defizite im mittleren siebenstelligen Bereich nicht auszuschließen seien, auch zu ihrem Umdenken geführt, wenn schon unser Stadtrat diese naheliegende Erkenntnis mehrheitlich ignorieren wollte.

Sei's drum - ein Wolkenkuckucksheim weniger nach der für uns Bonner superteuren WCCB-Investition ist auf jeden Fall ein Erfolg. Nun liegt es an unseren politisch Verantwortlichen, die zugesagten öffentlichen Mittel auch so weit wie irgend möglich für eine adäquate Instandsetzung der Beethovenhalle "loszueisen", um auch an dieser Front die finanzielle Belastung für uns Bürger auf ein Minimum drücken zu können.

Klassikfreunde, die meinen, auf einer meisterhaften Akustik bestehen zu müssen, sei hier der kurze Weg zur Kölner Philharmonie empfohlen. Warum die Deutsche Post ihre versprochene monetäre Förderung nicht der baulich wunderschönen, aber leider arg vernachlässigten Beethovenhalle zugute kommen lassen will, erschließt sich nicht wirklich - wenn man zum 250. Geburtstag Beethovens seine Musik in Bonn unterstützen will, wäre das doch nun eine gute Alternative.

Andererseits: Wo sie jetzt soviel Geld gespart hat, kann sie ja vielleicht wenigstens ihre Briefträger (wieder) anständig bezahlen.

Ralf Schikora, Bonn

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