Kommentar Reformdruck im Gesundheitssystem

Berlin · Es gibt einen Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Klasse. Er ist relativ. In diesem Fall relativ konkret. Privatpatienten in Nordrhein-Westfalen bekommen binnen weniger Tage (oder sofort) einen Facharzttermin, gleich kranke Kassenpatienten dagegen müssen meist Wochen warten. Wie sich das entwickelt?

Noch sind die geburtenstarken Jahrgänge nicht im Seniorenalter, in jenen Jahren also, in denen sie die Wartezimmer gerade der Facharztpraxen überfüllen werden. Senioren werden in 20 Jahren eine starke Lobby haben. Sie werden so zahlreich sein, dass sie Wahlen entscheiden können. Dann wird das Thema Terminwartezeit richtig in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken, es sei denn, es wird vorher angepackt. Die "Terminservicestellen", die die Bundesregierung nun über den Weg eines kleinen Versorgungsgesetzes einrichten möchte, sind ein Versuch. Ob sie den Druck einer stetig größer werdenden Patientenzahl auf die Arztpraxen lindern können, ist offen.

Jeder Patient ist ein Fall und häufig auch ein Schicksal. Auch Fachärzte sind Unternehmer und handeln nach dem unternehmerischen Erfolg: An Privatpatienten verdienen sie besser, was zur Folge hat, dass diese schneller Termine bekommen als der gemeine Kassenpatient. Ist das gerecht? Nein, es ist das Gesetz des Marktes. Die Frage bleibt, wie weit die Schere zwischen privat und gesetzlich noch aufgehen soll. Am Ende wird ohnehin die Bezahlbarkeit des gesamten Systems darüber entscheiden.

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