Obama droht mit Krieg

Washington · Die Auseinandersetzung im Atom-Streit zwischen den USA und Iran nimmt gefährliche Formen an

Klare Botschaft: Ajatollah Ali Chamenei, religiöses Oberhaupt des Iran, ist der Empfänger der Nachricht von US-Präsident Barack Obama.

Klare Botschaft: Ajatollah Ali Chamenei, religiöses Oberhaupt des Iran, ist der Empfänger der Nachricht von US-Präsident Barack Obama.

Foto: ap

Es ist die bislang unverhohlenste Androhung zum realen Schiffeversenken, die da über bislang geheime Emissäre den Weg vom Weißen Haus in den Palast von Ajatollah Ali Chamenei gefunden hat. Unwidersprochen gebliebene Berichte der "New York Times", wonach US-Präsident Barack Obama eine "rote Linie" überschritten sähe und militärisch antworten lassen würde, wenn Teheran wie angedroht eine zentrale Versorgungsroute für Öltransporte im Persischen Golf blockieren sollte, bedeuten eine weitere Eskalation im Dauerstreit zwischen beiden Ländern.

Bislang hatten ausschließlich untere Ebenen, Verteidigungsminister Leon Panetta und Generalstabschef Martin Dempsey, öffentlich mit der militärischen Option gedroht, falls Teheran die Meerenge von Hormus, durch die 40 Prozent des weltweiten Öl-Handels läuft, tatsächlich dichtmachen sollte - als Antwort auf das vom Westen wegen des iranischen Atomprogramms angestrebte Handelsembargo. Dass Präsident Obama sich nun direkt an das religiöse Oberhaupt im Mullah-Staat wendet und ein Ende der Geduld signalisiert, wird in Washington nicht unwesentlich vor dem Hintergrund des aufziehenden Wahlkampfes interpretiert.

Republikanische Kandidaten wie Mitt Romney, Rick Santorum oder Rick Perry sprechen sich seit Wochen für ein militärisches Vorgehen aus, um die unterirdisch vorangetriebenen Ambitionen Teherans zum Bau einer Atombombe endgültig zu beenden. Obama wird von den Konservativen als "Weichei" charakterisiert. Mit der jetzt öffentlich gewordenen Ansage, so gestern ein Politikberater einer den Demokraten nahe stehenden Denkfabrik, hat Obama "gewissermaßen einen Entlastungsangriff gestartet". Der richte sich gewiss auch an Teheran, vor allem aber an die amerikanische Öffentlichkeit.

Innerhalb der US-Regierung scheint man unterdessen noch unschlüssig zu sein, wie die Drohung Teherans zu gewichten ist, die See-enge von Hormus zu sperren. Teile der Administration halten es nicht für abwegig, dass sich einzelne Offiziere der Revolutionären Garden, die eigene Kampfschiffe unterhalten, verselbstständigen und einige der rund 2000 auf Vorrat liegenden Minen auf der dicht befahrenen Tankerstraße zurücklassen.

Das wäre der Casus Belli. Obama-Berater Dennis B. Ross hält es hingegen für unwahrscheinlich, dass die iranische Führung "wirtschaftlichen Selbstmord" begehen will. Schließlich wären auch eigene Öl-Exporte von einer Blockade inklusiver militärischer Auseinandersetzung betroffen. Ross' Theorie: Teheran wolle mit der Androhung lediglich die Ölpreise nach oben jagen.

Dessen ungeachtet haben die USA ihre Präsenz in der Golfregion kräftig ausgebaut. Mit den Flugzeugträgern "USS Carl Vinson" und "USS Abraham Lincoln" stehen, für den Fall der Fälle, zwei mächtige Basen zu Wasser bereit. Wie Teheran auf die über "geheime Kommunikations-Kanäle" übermittelte Depesche Obamas reagiert hat (die ansonsten in dieser Hinsicht oft aktiv gewesene Schweizer Botschaft war dem Vernehmen nach nicht beteiligt), ist bisher unbekannt. Präsident Mahmud Ahmadinedschad, bis gestern in Lateinamerika unterwegs, bestritt einmal mehr, dass sein Land nach der Atomwaffe greife. Vom Nachbarland Türkei erhofft sich der Iran Unterstützung, um bei in Kürze stattfindenden Gesprächen in Istanbul die Embargo-Drohungen der Europäischen Union abzumildern. Zugeständnisse, wie der von Amerika, China, Russland, Frankreich, England und Deutschland geforderte Verzicht auf weitere Uran-Anreicherung, will Teheran allerdings immer noch nicht machen.

Stattdessen, so berichten iranische Medien, soll die Regierung Vergeltungsaktionen für den tödlichen Anschlag auf den hochkarätigen iranischen Atomwissenschaftler Mostafa Ahmadi Roshan autorisiert haben. Teheran sieht Amerika und Israel als Hintermänner der Aktion, die vor wenigen Tagen zu einer weiteren Zuspitzung des Konflikts geführt hat. Das war vor der jetzt bekannt gewordenen Drohung Obamas.

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