GA-Serie "Rheinische Landpartie" Die Marksburg ist ein Schmuckstück überm Rosengarten

Koblenz · Mit dem Schiff geht es zurück in die Zeit des Mittelalters. Wie die Menschen damals gelebt haben, ist eindrucksvoll auf der Marksburg im Unesco-Welterbe Oberes Mittelrheintal zu erleben.

Der Rhein zwischen Koblenz und Mainz, einfach verlockend: Der Strom schlängelt sich durch die hügelige, teils mit Wein berankte Landschaft. Besonders vom Schiff aus bieten sich prächtige Aussichten. Da mag es von Vorteil sein, dass die Loreley mit ihrem betörenden Gesang den Chinesen, Amerikanern und natürlich auch Deutschen an der Reling nichts anhaben kann. Doch leider können sie da auch auch nicht weg. Denn alle paar Minuten taucht links oder rechts eine prächtige Burg (oder zumindest die Ruine davon) auf. Die würde man am liebsten nicht nur fotografieren, sondern auch gleich erkunden.

Zum Glück ist es möglich, bei den Schiffsgesellschaften zwischendurch auszusteigen und später weiterzufahren. Bevor es dunkel wird, hat man aber trotzdem die Qual der Wahl. Eine gute ist die Marksburg, die im Sonnenlicht weißgelb auf ihrem Felsen leuchtet. Echtes Mittelalter ohne Schnörkel. Keine Spur von Disneyland, was 185 000 Besucher pro Jahr zu schätzen wissen.

Der Ausflug beginnt in Koblenz, wo auch Riek und Bertus Ardesch aus Zwolle das Schiff betreten. "Wir sind in der zweiten Jugend", sagen die beiden 80-Jährigen, lachen und freuen sich, dass Sohn Hans mit seiner Lebensgefährtin Sofia Stolting dabei ist - bei der Fahrt durchs insgesamt 67 Kilometer lange Unseco-Welterbe Oberes Mittelrheintal samt späterem Spaziergang und einem kühlen Weißwein. An Bord begrüßt wurden sie von Bootsmann Marcus Meertag, der seit 17 Jahren bei der Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrt arbeitet und dabei schon manchen kommen und gehen gesehen hat. Auch einen tibetischen Mönch in Turnschuhen.

"Der sah cool aus", sagt der 34-Jährige, der passend zum Namen und Beruf im Sternzeichen Wassermann geboren ist und bei der Marine gedient hat. Ein bisschen bedauert er die Japaner, die wild fotografierend durch die Rüdesheimer Drosselgasse eilen und vor der Abfahrt nach Paris im Wirtshaus schnell noch Haxe und Nürnberger Würstchen mit Sauerkraut verdrücken.

"Die gucken sich ihren Urlaub zu Hause an", sagt Meertag, der selbst den Vierseenblick oberhalb von Boppard auf 322 Metern Höhe liebt und damit auch empfiehlt. Man muss ja nicht wie er auf dem Mountainbike schwitzen, bequemer geht's mit dem Sessellift dahin. Auf den Schiffen verpassen die Touristen keine Sehenswürdigkeit, denn "der Alte" persönlich - der Kapitän - drückt auf den Knopf für die Landschaftserklärungen, die in allen möglichen Sprachen durch die Lautsprecher tönen.

So geht es vorbei an Schloss Stolzenfels, Burg Lahneck und der Martinsburg bis das Reich von Gerhard Wagner 90 Meter über dem Braubacher Rosengarten in den blauen Himmel ragt - gelegen 160 Meter über Normalnull. Seit 16 Jahren wohnt der Geschäftsführer der Deutschen Burgenvereinigung (DBV), bei der jeder mitmachen kann, auf dem fast ursprünglich erhaltenen Kleinod, das 1231 erstmals urkundlich erwähnt wurde und über die Jahrhunderte Kämpfen, Kriegen, einem Brand und letztlich dem Verfall trotzte. Die Burg, die seit 117 Jahren der DBV gehört, diente zum Schutz des Braubacher Silberbergwerks. Dort residierten die Herren von Eppstein und später die Grafen von Katzenelnbogen.

Wagner hat den schönsten Ausblick auf den Fluss, das beschwerliche Schleppen von Wasserkisten ist wegen der heutzutage fehlenden Leibeigenen der Preis dafür. Doch das nimmt der begeisterte Mittelalterfan gern auf sich. Der Zivildienst in der Jugendherberge der Burg Bilstein im Sauerland habe den "Virus Burg positiv" ausgelöst, sagt er. Von ursprünglich 60 Burgen am Rhein seien heute noch rund 40 zu sehen - teils wiederaufgebaut, teils Reste. Sein Liebling? Klar, was der Burgvogt mit eigener Dienstwohnung neben dem Bergfried da antwortet.

Wagner steckt den 20 Zentimeter langen Generalschlüssel ins Fuchstor, hinter dem der anschauliche Rundgang zu Rittern, ihren Kemenaten, Kanonen, Kräutergarten und Weinkeller beginnt. "Wir wollen das ursprüngliche Leben nahebringen, über damals die Wahrheit sagen", so der 62-Jährige. So gibt es halt leider auch kein Burggespenst, was Dr. Wilhelm Avenarius attestiert hat, der sich ernsthaft mit übernatürlichen Erscheinungen in Burgen und Schlössern auseinandergesetzt hat.

Besucher hören in der Folterkammer von den Grausamkeiten der Ära, erfahren, warum Türen niedrig sind und man Toiletten nur von außen abschließen kann: Letzteres war wichtig, falls sich der Feind von unten an das wie ein Erker gebaute stille Örtchen herankraxeln sollte. Lektüre gibt's im gut sortierten Burgladen, darunter auch Wagners Bücher über die Herkunft von Redensarten. Darin erfährt man, dass "Einen Zahn zulegen" nichts mit den gezackten Halterungen im mittelalterlichen Kamin zu tun hat, sondern aus der Kfz-/Flugzeugtechnik stammt.

Vor dem letzten Schiff nach Koblenz ist noch Zeit für ein Abendessen in Braubachs Altstadt mit ihren Gassen und Fachwerkhäusern aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Etwa im Goldenen Schlüssel. Pünktlich legt danach die "Goethe" an. Ohne den Schaufelraddampfer von 1913 wäre die Fahrt vorbei an Gemäuern wie Sooneck, Pfalzgrafenstein, Schönburg, Katz und Maus nur halb so schön.

Seit 2008 steht seine denkmalgeschützte Dampfmaschine mittlerweile im Kölner Stadtmuseum, weil sie durch eine Dieselhydraulik ersetzt wurde. Damit aber wenigstens die Pfeifen ihren typischen Signalton noch ausstoßen, wurde ein elektrisch betriebener Dampfkessel eingebaut. Zweimal ertönte das Horn, als die "Goethe" vor Ehrenbreitstein beidreht. Feierabend.

An der Marksburg vorbei geht eine Zugfahrt mit dem Rheingold. GA-Abonnenten erhalten im AboSpezial Rabatt.

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