Aktion Weihnachtslicht Medikamente verlangsamen die Reaktionsfähigkeit

BONN · Eine Seniorin steht auf der Bordsteinkante und zögert, macht einen Schritt vor und wieder einen zurück: "Soll ich über die Straße gehen, schaffe ich es bei Grün noch, oder warte ich lieber?"

 Im Straßenverkehr sind Senioren eher gefährdet, als dass von ihnen Gefahr ausgeht, zeigen die Statistiken.

Im Straßenverkehr sind Senioren eher gefährdet, als dass von ihnen Gefahr ausgeht, zeigen die Statistiken.

Foto: dpa

Ein Rentner wird plötzlich ganz nervös, als er mit seinem Auto auf den neuen Kreisverkehr in seiner Straße zufährt. Das sind alltägliche Situationen. Auslöser des verlangsamten Reaktionsvermögens sind nicht selten Medikamente. Eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen hat ergeben, dass rund ein Fünftel der rund 55 000 in Deutschland zugelassenen Medikamente die Teilnahme am Straßenverkehr negativ beeinflussen.

Die Mehrheit der älteren Autofahrer nimmt regelmäßig Arzneimittel ein. Studien zeigen, dass der Anteil der Senioren im Alter von 75 Jahren oder älter, die regelmäßig Medikamente nehmen, bei mehr als 75 Prozent liegt. "Eine Rücksprache mit dem Arzt und eine kritische Selbstüberprüfung gewährleisten Sicherheit", sagt Cornelia Brodeßer. Die Beraterin der Bonner Verkehrswacht aus Wachtberg informiert regelmäßig bei Veranstaltungen, welche Probleme durch Medikamente im Straßenverkehr auftreten können und was Senioren darüber wissen sollten.

"Viele Medikamente haben unerwünschte Nebenwirkungen, wie Müdigkeit oder ein verlangsamtes Reaktionsvermögen. Das führt dazu, dass komplexe Situationen langsamer bewertet werden können. Die Verkehrsteilnehmer brauchen einfach mehr Zeit, um eine Entscheidung zu fällen", sagt Brodeßer. Diese lange Reaktionszeit stelle im Straßenverkehr ein Risiko dar.

So sollten sich gerade ältere Verkehrsteilnehmer, sowohl Autofahrer als auch Fußgänger mit oder ohne Rollator, darüber informieren, ob ihre Medikamente, beziehungsweise ihre Mixtur, die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. "Viele wissen gar nicht, welchen Medikamentencocktail sie täglich zu sich nehmen", so die Wachtbergerin.

Menschen über 60 Jahre haben den gesetzlichen Krankenversicherung zufolge neben den vom Arzt verschriebenen im Schnitt weitere sieben Arzneimittelpackungen, die sie in Eigenregie erworben haben. Die Verkehrsberaterin, sagt allerdings würde nur ein kleiner Teil der älteren Patienten direkt mit dem Arzt über potenzielle Neben- und Wechselwirkungen sprechen. "Gerade Senioren, die mehrere Medikamente einnehmen, sollten jedoch mit ihrem Arzt Rücksprache halten", rät Cornelia Brodeßer. Denn der Beipackzettel sei selten wirklich hilfreich. "Ich habe einmal einen Beipackzettel für ein blutdrucksenkendes Mittel ausgemessen. Der war 90 Zentimeter lang und konnte nur mit der Lupe entziffert werden. Das liest doch niemand", weiß die Wachtbergerin.

Sie rät zudem, das eigene körperliche Wohlbefinden regelmäßig selbst zu hinterfragen. Unwohlsein, Benommenheit oder Schwindelgefühl sind Symptome einer eingeschränkten Fahreignung.

Mobil sein und mobil bleiben - das wünschen sich viele Menschen für ihr Alter. "Den Senior an sich gibt es nicht. Heute fühlen sich die Menschen in der Regel zehn bis 15 Jahre jünger, als sie wirklich sind. Das Gefühl für Alter entsteht im Kopf", sagt Brodeßer. Ältere Menschen seien heute selbstbewusst und wollten aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Dazu gehöre auch die individuelle Mobilität. Denn daran werde oft die geistige Fähigkeit beziehungsweise die Jugendlichkeit gemessen. Auch wenn Ältere sich jünger fühlen, gehören körperliche Defizite wie ein vermindertes Hör- und Sehvermögen zum Älterwerden.

Allerdings: Die Statistiken zeigen dem Tüv Süd zufolge, dass Senioren weniger Autounfälle im Straßenverkehr verursachen, als es das landläufige Klischee vom Opa mit Hut am Steuer annimmt: Nur rund zehn Prozent aller Pkw-Unfälle mit Personenschäden gehen auf ihr Konto. "Ab einem Alter von 75 und mehr Jahren kippt das Verhältnis aber", weiß Brodeßer.

Denn in den Fällen, in denen 75-Jährige und Ältere beteiligt sind, seien sie zu etwa 75 Prozent Hauptverursacher dieses Unfalls. Und auch bei den Radfahrern falle die Gruppe 75+ auf. Sind Senioren als Fußgänger beteiligt, sind sie laut Verkehrswacht selten die Unfallverursacher. So seien Senioren eher gefährdet als gefährlich: Denn infolge einer höheren Gebrechlichkeit bestehe ein erhöhtes Verletzungs- und Todesrisiko bei Unfällen, sagt die Verkehrsberaterin.

Mit dem Programm "sicher mobil" richtet sich die Verkehrswacht Bonn an Fußgänger, Kraftfahrer und Fahrradfahrer der "Generation 60+". Dabei stehen die sichere und eigenverantwortliche Teilnahme am Straßenverkehr sowie die Erhaltung der eigenen Mobilität im Mittelpunkt.

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