Ein Jahr in Chile

Santiago · Erbeben, Krätze, Läuse, eine versmogte Hauptstadt und Kälte im August – das ist Chile?! Natürlich nicht ausschließlich, aber es ist doch ein kleiner Teil meines Chile-Abenteuers. Vielmehr gehören jetzt jedoch Empanadas, der „chilenismo“ (der chilenische Slang) im Spanischen, der Wangenkuss zu jeder Begrüßung und Verabschiedung sowie Reggaemusik zu meinem Alltag

Ich bin Carolina, 18 Jahre alt und wohne zurzeit für ein Jahr in Santiago de Chile bei einer chilenischen Familie zusammen mit noch anderen „extranjeros“. Nachdem ich für einen Monat eine Sprachschule besucht habe und anschließend für vier Wochen in einem Kinderheim für vernachlässigte Kinder gearbeitet habe, bin ich jetzt Volontärin bei Tomatis, einem auditiven Therapiezentrum.

Als ich in Chile ankam, konnte ich noch gar kein Spanisch. Zwar war mir bewusst, dass man in Lateinamerika mit Englisch nicht sehr weit kommt, dass die Leute jedoch nicht einmal die einfachsten Begriffe kennen, ja geschweige denn überhaupt die Zahlen, hat den Anfang hier schon ziemlich erschwert. Dafür habe ich aber umso schneller die neue Sprache gelernt, schließlich blieb mir gar nichts anderes übrig.

Jetzt im Dezember haben wir hier fast täglich 30°C. So recht will da noch keine Weihnachtsstimmung bei mir aufkommen, zumal solche Traditionen wie Adventskalender, Nikolaus, Weihnachtsmarkt und Plätzchen backen in Chile unbekannt sind. Generell scheint Weihnachten hier nicht ganz so wichtig oder kommerziell wie in Deutschland zu sein. Anfang Oktober konnte man noch „normal“ einkaufen gehen. Erst seit November gibt es in jedem Supermarkt ein Regal voller Weihnachtsartikel; mehr aber auch nicht. Kein Haus ist bisher geschmückt und es hängen keine Lichterketten über den Einkaufsstraßen.

Heiligabend werden wir alle zusammen in die Kirche gehen (die Mehrheit der Chilenen ist katholisch), ein großes Weihnachtsessen veranstalten und um Mitternacht unter einem Plastiktannenbaum die Geschenke auspacken. Silvester werde ich das erste Mal im Sommer am Strand feiern. Private Feuerwerke sind hier verboten, aber es wird öffentliche in den Städten und an der Küste entlang geben.

Natürlich unterscheidet Chile sich sehr von Deutschland, dennoch ist es nicht „das typische Lateinamerika“, das man sich vielleicht vorstellt oder aus Filmen kennt. Chile ist sehr modern und fortschrittlich. Man sieht zwar ein wenig mehr Armut auf den Straßen als in Deutschland, aber zurzeit wird hier in Santiago zum Beispiel das höchste Gebäude ganz Südamerikas gebaut, wir gehen in modernen Shoppingmalls einkaufen, gucken Kinofilme in 3D und tauschen uns per Facebook oder Whatsapp mit unseren Freunden aus.

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