NRW Buchhandlungen David gegen Goliath im Buchhandel

BONN · Überraschend sprießen auch in NRW die Buchhandlungen aus dem Boden. Hier gibt es ein paar Erfolgsrezepte von Händlern aus der Region.

 "Eigene Bestsellerlisten": Buchhändler Holger Schwab im Buchladen 46 in der Bonner Südstadt.

"Eigene Bestsellerlisten": Buchhändler Holger Schwab im Buchladen 46 in der Bonner Südstadt.

Foto: Fischer

Zwei Stunden vor der Öffnung des "Buchladen 46" in Bonn räumt Inhaber Holger Schwab Bücher aus großen, grauen Kisten. Kunden haben sie am Vortag bei ihm bestellt. In den Regalen an den Wänden aufgereihte Romane, Biographien und Dramen. Neben einem Roman von Matt Ruff stehen die Kurzgeschichten von Nobelpreisträgerin Alice Munro. Das Ordnungssystem ist nicht leicht zu durchschauen, einen Tisch mit den aktuellen Bestsellern sucht man vergebens.

Doch passt gerade diese oberflächliche Unordnung im Buchladen in der Südstadt zur Geschäftsstrategie von Holger Schwab: "Ich lege Wert auf das Gespräch mit den Kunden. Das ist ein Vorteil der stationären Buchhandlungen gegenüber Internethändlern, die diesen Service so nicht bieten können", sagt der Buchhändler. So empfiehlt er Bücher, die von den bundesweiten Kassenerfolgen häufig abweichen. "Ich habe hier meine eigenen Bestsellerlisten."

Geschäftsstrategien wie diese sind vielleicht einer der Gründe dafür, dass die Anzahl der stationären Buchhandlungen in Nordrhein-Westfalen trotz Onlinehandel seit 2000 sogar erheblich gestiegen ist (siehe Infokasten).

Seit 30 Jahren arbeitet Holger Schwab als Buchhändler. Einen starken Kundenrückgang habe er durch den Einstieg der Onlineversandhäuser bisher nicht bemerkt. Viele seiner Kunden seien Stammkunden, die das Beratungsgespräch mit ihm schätzten und suchten, erzählt er.

Allerdings kämen in einer lebendigen Stadt wie Bonn auch immer neue Gesichter in seinen Buchladen: "Wenn man entscheidet, wo man einkauft, entscheidet man gleichzeitig auch, in welcher Stadt man leben möchte", betont Schwab, der seinen Laden auch als Beitrag zu einem unverwechselbaren Stadtbild versteht. Das gehe verloren, wenn inhabergeführte Geschäfte schließen müssten.

Kleine Buchläden halten sich auch auf dem Land. Nicole Jünger, Inhaberin des "Buchladen am Neuen Markt" in Meckenheim, setzt ebenfalls auf das Beratungsgespräch. Die Vorlieben ihrer Stammkunden seien ihr mittlerweile bekannt, was individuelle Empfehlungen leichter mache: "Manche Bücher bestelle ich nur wegen der Vermutung, dass sie einem bestimmten Kunden gefallen könnten", lacht sie. Wegen des guten Geschäftsverlaufs hat Jünger vor wenigen Monaten zusätzlich einen Kinderbuchladen im gleichen Haus eröffnet.

Ihr Stammkunde Lothar Clasen begründet, warum er lieber zum "Buchladen am Neuen Markt" geht, als im Internet einzukaufen: "Bei Frau Jünger weiß ich: Sie zahlt ihre Steuern und sie bezahlt ihre Angestellten anständig. Und das unterstütze ich", erläutert er. Damit spielt er auf die Schlagzeilen über den Onlinehändler Amazon und die Diskussionen um Arbeitsbedingungen und Steuerzahlungen an. Auch der "Buchladen am Neuen Markt" verfügt zusätzlich über einen Internetvertrieb. "Der Umsatz damit macht aber nur einen Bruchteil meiner Einnahmen aus", berichtet Jünger.

Neben dem eigentlichen Verkauf bieten viele kleine Buchhandlungen auch Veranstaltungen für ihre Kunden an. Das reicht von Autorenlesungen und professionellen Rezensionen wie im "Buchladen" in Meckenheim bis zu Kulturveranstaltungen wie etwa einem "Gesprächskonzert", das der "Buchladen 46" organisiert: Eine Erzählung wird mit Bandoneonmusik verbunden. "Dadurch entsteht eine besondere Nähe zwischen den Zuhörern und der Literatur", sagt Schwab.

In einem sind sich die kleinen Buchhändler einig: Die Existenzgrundlage für ihr Geschäft sei die Buchpreisbindung. Ohne die gesetzlich vorgeschriebenen Endverbraucherpreise für Bücher wären die unabhängigen Läden schnell von den Wirtschaftsgiganten vom Markt verdrängt. "Da hilft dann auch der beste Kundenservice nicht mehr", räumt Nicole Jünger ein.

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