WCCB-Prozess "Vorschlag aus heiterem Himmel"

Bonn · Der Prozess gegen die Beschuldigten Eva-Maria Zwiebler und Arno Hübner im Zusammenhang mit dem Skandal um das World Conference Center Bonn (WCCB) könnte unerwartet früh beendet sein. Der Vorsitzende Richter machte den Vorschlag einer Geldauflage.

 Am ersten Prozesstag: Arno Hübner (von links), seine Verteidiger Stefan Hiebl und Carolin Warner, Strafverteidiger Hanno Marquardt und seine Mandantin Eva-Maria Zwiebler.

Am ersten Prozesstag: Arno Hübner (von links), seine Verteidiger Stefan Hiebl und Carolin Warner, Strafverteidiger Hanno Marquardt und seine Mandantin Eva-Maria Zwiebler.

Foto: Nicolas Ottersbach

Große Erleichterung auf der Anklagebank: Der Prozess gegen die Beschuldigten Eva-Maria Zwiebler und Arno Hübner im Zusammenhang mit dem Skandal um das World Conference Center Bonn (WCCB) könnte unerwartet früh beendet sein, wenn die Angeklagten selbst und die Staatsanwaltschaft Bonn dem recht überraschenden Vorschlag des Vorsitzenden Richters Jens Rausch der 7. großen Strafkammer am Landgericht Bonn folgen: Einstellung des Verfahrens nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung (StPO) gegen eine Geldauflage von "15 000 bis 20 000 Euro". Beide städtischen Bediensteten wären damit nicht vorbestraft und müssten auch nicht den Verlust ihrer Pension (Hübner) beziehungsweise Pensionsansprüche (Zwiebler) befürchten.

In einem vorläufigen Zwischenresümee hatte der Kammervorsitzende mitgeteilt, dass nach dem aktuellen Stand der Beweisaufnahme zum Betrugsvorwurf der Nachweis "nicht wahrscheinlich" sei. Insbesondere fehlten die Voraussetzungen zur Betrugsstrafbarkeit: eine ursächliche Täuschungshandlung, ein Schaden (beim Land NRW/Anm. d. Red.) und der Vorsatz der Angeklagten. Beiden wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, bei der Beantragung des NRW-Zuschusses von 35,79 Millionen eine gesicherte Gesamtfinanzierung vorgetäuscht zu haben. Es spreche vieles dafür, so Richter Rausch in einer Pressemitteilung des Gerichts, "dass allen Beteiligten von Anfang an klar gewesen sei, dass es sich um ein schwieriges Projekt handele, dessen Gesamtkosten im Laufe der Realisierung steigen könnten". Ein Scheitern des Projekts und eine damit "einhergehende Zweckverfehlung" des ausbezahlten Zuschusses habe beiden Angeklagten "wohl nicht hinreichend vor Augen gestanden".

Voraussichtlichkeine umfangreiche Beweiserhebung

Der Kammervorsitzende schwenkt über zum zweiten Anklagepunkt: Untreue im besonders schweren Fall (Hübner) und Beihilfe dazu (Zwiebler). Dabei geht es um eine Nebenabrede (Bürgschaft) der Stadt gegenüber der Sparkasse KölnBonn über 74,3, später 104,3 Millionen Euro. Es soll, so die Staatsanwaltschaft, eine für die Stadt risikoreichere Bürgschaft unterzeichnet worden sein als vom Stadtrat gewollt. Zu einer umfangreichen Beweiserhebung dazu wird es aber voraussichtlich nicht kommen.

Das Gericht skizziert nun die Begleitumstände für die Angeklagten. Im August 2009 habe das Ermittlungsverfahren begonnen; es dauerte bis zur Anklageerhebung Anfang März 2012. Und erst Ende Februar 2015 habe der Prozess begonnen. Das alles habe, so Richter Rausch, die Angeklagten "gesundheitlich beeinträchtigt. Ich sage das bewusst wertfrei: Das öffentliche Interesse wiegt schwer", schließlich hätten Ermittlung und Prozess nicht "im stillen Kämmerlein" stattgefunden, sondern die Presse habe berichtet.

Wenn nun eine weitere intensive Aufklärungsarbeit zum Untreuevorwurf vor Gericht geleistet würde, könnte das Monate dauern: "Man darf sich auch die Frage stellen: Wenn Untreue zutrifft, was würde dann herauskommen? Welche persönliche Schuld?" Schließlich hätten die beiden Angeklagten sich nicht bereichert, sondern sich in einer von der Stadt Bonn zusätzlich übertragenen Aufgabe "aufgerieben". Rausch meint damit: Die überlange Ermittlungs-/Verfahrensdauer hätte das Strafmaß (im Fall eines Urteils) erheblich gesenkt, aber die Pensionsansprüche ausradiert. Er fragt: "Steht das im Verhältnis?" Und er sagt: "Strafbarkeit und öffentliche Aufklärung sind zwei Paar Schuhe."

"Anregung" des Richters

Schließlich münden die Ausführungen des Richters in eine für alle Beteiligten überraschende "Anregung", wie er es nennt: Einstellung des Verfahrens gegen eine "spürbare Geldauflage". Und es klingt wie eine Drohung: "Sonst prozessieren wir weiter." Es klingt aber auch nach Prozessökonomie.

Hübners Verteidiger Stefan Hiebl sprach von einem "einschneidenden Vorschlag aus heiterem Himmel". Später teilte er dem GA mit: "Das ist eine Trendwende, die ihresgleichen sucht. Es gibt keinerlei Schuldfeststellung. Das ist ein sehr interessanter Vorschlag des Gerichts, da die Unschuldsvermutung bei § 153a trotz Geldauflage bestehen bleibt. Ich fühle mich insgesamt in meiner Auffassung bestätigt, dass es insgesamt bei einem Freispruch bleibt. Den hätte ich zwar gerne auch auf Papier, aber da ist die Frage, ob man das auf sich nimmt."

Zwieblers Verteidiger Hanno Marquardt erklärte: "Die Verteidigung ist unverändert davon überzeugt, dass bei Fortsetzung des Verfahrens ebenfalls ein Freispruch hinsichtlich der vorgeworfenen Beihilfe zur Untreue erfolgen würde." Er verweist darauf, dass eine "Zustimmung zu dieser Anregung des Gerichts keinerlei Schuldeingeständnis" bedeute.

Für die Staatsanwaltschaft Bonn erklärte Pressesprecherin und Oberstaatsanwältin Karen Essig, man prüfe den Vorschlag des Gerichts "unter Abwägung aller tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte". Sie bestätigte ferner, dass die Staatsanwaltschaft im Juni 2014 unter dem Aktenzeichen 21 Kls 15/14 eine weitere Anklage wegen Bestechlichkeit gegen Hübner und Zwiebler erhoben habe. Zuvor war Ha-S. C., Rechtsanwalt des WCCB-Investors Man-Ki Kim, wegen Bestechung verurteilt worden.

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