WCCB-Prozess in Bonn Am Anfang steht eine Rüge

Bonn · Mit einem Störfeuer der Verteidigung begann am Donnerstag vor der 7. Bonner Wirtschaftsstrafkammer der dritte und letzte Strafprozess zum Bauskandal beim World Conference Center Bonn (WCCB) gegen dessen ehemaligen Bau-Chef Young-Ho Hong: Bevor Staatsanwalt Oliver Hefele die Anklage verlesen konnte, die dem in Berlin als Architekt tätigen Südkoreaner unter anderem Betrug im besonders schweren Fall vorwirft, ergriff dessen Pflichtverteidigerin Anja Sturm das Wort.

Die Kölner Anwältin, die auch im NSU-Prozess die Angeklagte Beate Zschäpe vertritt, rügte - unterstützt von zwei Berliner Kollegen - die Besetzung des Gerichts und beantragte eine einwöchige Prozessunterbrechung.

Es ist ein taktischer Schachzug, den Verteidiger vor allem in Umfangsverfahren gerne anwenden, und dafür begeben sie sich im Vorfeld der Hauptverhandlung auf die Suche nach möglichen prozessualen Soll-Bruchstellen. Das hat die Verteidigung auch in diesem Fall getan, wie der mehr als einstündige Vortrag zeigt, in dem die Anwälte schließlich ihre Besetzungsrüge begründen.

Gerügt wird die angeblich fehlerhafte Besetzung der Ergänzungsrichterstelle mit einer Richterin, die nicht aus einer für die Wirtschaftsstrafkammer zuständigen Vertretungskammer kommt. Denn die konnten aufgrund eigener personeller Knappheit keine Kraft entbehren, wie sie auf eine entsprechende Anfrage von Wirtschaftskammervorsitzenden Jens Rausch im Oktober erklärten.

Erster Prozesstag zu Ende, bevor er richtig begonnen hat

Und wie Anwältin Sturm nun vorliest. Sie rügt, dass das Präsidium des Landgerichts keine vorsorgliche Regelung für den Fall getroffen habe, dass in einem Langzeitverfahren ein Ergänzungsrichter benötigt wird. Denn die personellen Engpässe seien dem Präsidium längst bekannt, und die kurzfristige und willkürliche Besetzung der Kammer mit der Ergänzungsrichterin entspreche nicht den gesetzlichen Bestimmungen.

Wie geht das Gericht mit dieser Rüge um? Ist sie berechtigt und das Gericht ignoriert sie, haben die Anwälte im Fall eine Verurteilung die nötige Munition für eine Revision beim Bundesgerichtshof. Nach einer Beratungspause teilte Strafkammervorsitzender Jens Rausch mit: Das Gericht wolle die Besetzungsrüge nun erst einmal in Ruhe prüfen. Deshalb werde die Sitzung geschlossen, der nächste Verhandlungstag ist der 4. Dezember. Der erste Prozesstag ist zu Ende, bevor er richtig begonnen hat.

Ob es am nächsten Verhandlungstag tatsächlich zur Sache geht, und der Staatsanwalt die Vorwürfe auflisten kann, die dem 51-jährigen Hong gemacht werden, bleibt also abzuwarten. Als damaliger Bau-Chef soll der Angeklagte die WCCB-Baukasse geplündert haben, indem er unter anderem Rechnungen doppelt beim für den WCCB-Bau zuständigen städtischen Gebäudemanager Friedhelm Naujoks und dessen Mitarbeitern einreichte. Doch dort wurden die Rechnungen ohne weitere Prüfung abgesegnet. Und zur Zahlung angewiesen. Dennoch sitzt Hong nun allein auf der Anklagebank. Und wirkte gestern erst einmal wie ein unwichtiger Statist.

Wie sehen Strafrechtsexperten das Instrument der Verfahrenseinstellung gegen Auflage?

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