"100 Köpfe: Wir sind Bonn" Dirk Vianden: Ein Mann mit Eigenschaften

BONN · Eine schräge Mischung. Auf der einen Seite der Traditionalist, der in Stadtgeschichte schwelgt, Mönchen einen Sonntagsbesuch abstattet und vom Schreibtisch auf ein Bild des Bonner Marktplatzes von Carl Nonn blickt. Auf der anderen Seite der Individualist, der sich wenig um Konventionen schert und manche verblüfft, als er im Oktober 2013 seinen Job in der Anwalts- und Steuerberaterkanzlei seiner Familie gegen die Rolle des Kanzlers der Alanus Hochschule eintauscht. Angenehm, Dirk Vianden, 53 Jahre alt. Jurist, Bonner, Grenzgänger.

 Alles relativ: Alanus-Kanzler Dirk Vianden wirkt auf dem überdimensionierten Stuhl vor dem Alfterer Johannishof nicht wie ein Sitzriese. Auf den Sesselchen in seinem Büro sieht das anders aus.

Alles relativ: Alanus-Kanzler Dirk Vianden wirkt auf dem überdimensionierten Stuhl vor dem Alfterer Johannishof nicht wie ein Sitzriese. Auf den Sesselchen in seinem Büro sieht das anders aus.

Foto: Barbara Frommann

Seit zwei Jahren lenkt Vianden die wirtschaftlichen Geschicke der Hochschule, verwurzelt in anthroposophischem Gedankengut, benannt nach einem mittelalterlichen Zisterziensermönch. Sein Büro im Johannishof oberhalb von Alfter kann viel erzählen über den, der darin arbeitet. Vier samtbezogene Sesselchen leuchten in Pink, Lila, Orange und Türkis. Da stapeln sich Kunstbände, eine Rose welkt in einer Wasserflasche vor sich hin.

Auf dem Sims wartet ein Fernglas darauf, das Landschaftsbild vor dem Fenster zu vergrößern - über Bonn bis zum Siebengebirge. Ein Öllämpchen verströmt den Duft von Zitronengras. Eine Holzschachtel trägt das eingebrannte Logo des Hotels Bad Schachen, Lindauer Seeufer, seit 1752 in Familienbesitz. "Da habe ich schwimmen gelernt." Vianden lässt sich in einen der Sessel fallen, der für ihn eine Nummer zu klein ist. "Da war eine Torte drin - heute verwahre ich darin die Süßigkeiten", sagt er, klappt die Schachtel auf und hält sie dem Gast hin. "Alkohol im Büro." Er lacht laut und herzlich, zeigt auf Pralinen mit der Piemont-Kirsche. Aufmerksam ist er. Ein guter Zuhörer, aber auch ein Geschichtenerzähler.

Zum Beispiel, wenn es um seine Studenten geht. Um das Masterprojekt mit dem Titel "Perspektive Zuflucht", wo Studenten zusammen mit Flüchtlingen vor dem Poppelsdorfer Schloss ein Bambuszelt bauten. Aber auch um die Kritik an der Stadt, die sich bei der Standortsuche wenig hilfreich zeigte. Ausgeholfen hat die Uni, nach einem Kontakt von Kanzler zu Kanzler. "Astrein", sagt Vianden, "von großem Bruder zu kleinem Bruder." Die Alanus Hochschule habe 1000 Studierende, die Bonner Alma mater, an der er selbst studiert hat, 38 000. "Aber wir sind in Alfter genauso der zweitgrößte Arbeitgeber, da haben wir was gemeinsam."

Der Idealfall eines Sonntags für den passionierten Jogger und Schwimmer: Am frühen Morgen mit der Vespa am Rhein entlang nach Maria Laach, ein Sprung in den See, um danach das Konventamt mitzufeiern und im Refektorium mit den Mönchen zu Mittag essen. "Das ist seit 25 Jahren gewachsen." Ein Mönch mit Bernhardiner hat ihn damals eingeladen. "Die Zufälle des Lebens passieren, wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht", glaubt Vianden. Er sucht dort Besinnung, will runterkommen, attestiert sich aber "höchstens rheinische Frömmigkeit".

Dirk Vianden pflegt Verbindungen, kehrt mit Kollegen zur Rektoratsklausur in der Montag Stiftung an der Adenauerallee ein, nicht nur weil er in der Nähe mit Lebensgefährtin Sabine wohnt. "Das ist es, was private Hochschulen ausmacht, das Netzwerk zwischen Kunst, Gesellschaft und Wirtschaft", findet Vianden. Und ist selbst eine Spinne im Netz, mischt mit in der CDU und bei den Rotariern, war zwölf Jahre lang Vorsitzender von Schwarz-Weiß Bonn, wacht seit 20 Jahren als Schatzmeister über die Finanzen des Stadtmuseums, wo das Original seiner Nonn-Reproduktion hängt, sitzt im Vorstand von Haus & Grund und im Beirat des Museums Koenig, war Mitinitiator des Fördervereins Festspielhaus. Rheinischer Klüngel?

Für ihn kein Vorwurf. "Rheinischer Klüngel ist für mich das Öffnen der Tür - durchgehen müssen die Geklüngelten schon selbst." Wie bei der Remise des Poppelsdorfer Schlosses, die Vianden als Gesicht einer Investorengemeinschaft für rund zwei Millionen Euro zum Eingang des Botanischen Gartens mit Restaurant umbauen lässt. "In neunjähriger Kleinarbeit haben wir die Beteiligten überredet." Geplante Eröffnung: Juni 2016.

"Angst vor der Verantwortung habe ich noch nie gehabt", sagt Vianden, der sich selbst als "sorgfältigen Arbeiter" einschätzt. Wie sehen ihn andere? "Er ist unkompliziert in allem, er versucht die Probleme zu lösen und geht auf die Menschen zu", sagt seine Assistentin Bärbel Sylaj. Nicht zu vergessen, seinen Hang zum Nonkonformismus: "Auch als gelernter Rechtsanwalt habe ich Probleme immer erst mit dem Telefonbuch und dann mit dem Gesetzbuch zu lösen versucht." Ein Übriges tat seine Lockenmähne, die diesen Sommer der Schere zum Opfer fiel. Nach zehn Jahren als persönliches Markenzeichen mit Beethoven-Appeal. "Es gibt Leute, die haben mich nicht erkannt." Dabei ist Vianden ein Mann mit Eigenschaften, eigentlich unverkennbar.

Typisch bönnsch

Das sagt Dirk Vianden über seine Heimat:

An Bonn gefällt mir, dass der Rhein nicht trennt, sondern verbindet.

Ich vermisse einen würdigeren Umgang mit der Geschichte unserer mehr als 2000-jährigen Stadt. Die derzeitige Diskussion über den Standort oder gar die Totalaufgabe des Stadtmuseums ist einfach unwürdig .

Mein Lieblingsplätze sind die Bänke im Hofgarten und der Schlossplatz.

Typisch bönnsch ist für mich der Satz "Jeck loss jeck elans". Die Bönnsche Übersetzung für "Jeder Jeck is anders".

GA-Serie (Folge 88)

Eine Stadt ist so vielfältig wie die Gesichter der Menschen, die hier wohnen und arbeiten, lernen und kreativ sind. Es gibt Erfolgsgeschichten, Liebesgeschichten, Lebensgeschichten oder Alltagsgeschichten. In der Serie "100 Köpfe: Wir sind Bonn" porträtieren wir jeweils einen Bonner Kopf.

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