Architektenwettbewerb Ein Haus für Beethoven und drei Gewinner

BONN · Festspielhaus-Jury entscheidet sich nach zweitägiger Sitzung für drei Entwürfe: Die Sieger sind David Chipperfield, Valentiny - hyp architects und das Büro Kadawittfeld.

Der Wettbewerb für den Bau des Beethoven-Festspielhauses in Bonn hat drei Sieger. Geplant war, dass die 30-köpfige Jury zwei Büros vorschlagen sollte, mit denen der Hauptsponsor für den Bau des Festspielhauses, die Deutsche Post DHL, weiter verhandeln sollte. Doch gestern Abend verkündete Engelbert Lütke Daldrup, Juryvorsitzender und Staatssekretär für Bauen und Wohnen in der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, drei Namen, drei gleichrangig interessante Projekte.

David Chipperfield (London/Berlin), das Büro Valentiny - hyp architects (Luxemburg) sowie Kadawittfeld (Aachen) bekamen den Zuschlag in einem sehr hochkarätig besetzten Wettbewerb. Insgesamt zehn Büros hatten sich um den Bau des Festspielhauses mit beachtlichen Entwürfen beworben. Erste Überraschung: Die beim ersten Wettbewerb 2008/09 favorisierte und diesmal erneut angetretene irakische Stararchitektin Zaha Hadid ging im Wettbewerb leer aus.

"Wir haben zwei sehr intensive, arbeitsreiche Tage hinter uns", berichtete Lütke Daldrup vom Jury-Marathon im Post Tower, bei dem Sachverständige gehört wurden, jedes Büro 30 Minuten lang sein Projekt vorstellen durfte und schließlich intensiv diskutiert wurde.

Die drei Finalisten konzentrierten schließlich alle Stimmen auf sich. Den "Respekt vor der Beethovenhalle" nannte Lütke Daldrup als wichtiges Kriterium für den Zuschlag, außerdem sei der Bezug zum Rhein sowie der geforderte Dialog mit der Stadt und der Umgebung besonders gut von den drei Entwürfen berücksichtigt worden. "Trotzdem ist eine weitere Präzisierung und Optimierung nötig", erklärte der Juryvorsitzende. Hinsichtlich Funktionalität, Kostenstruktur und Akustik herrsche noch Abstimmungsbedarf.

"Kristalline Architektur auf schlanken Stelzen" nennt die Deutsche Post den Beitrag von David Chipperfield, der mit dem Neuen Museum in Berlin, dem Museum Folkwang in Essen und dem Kunsthaus Zürich bereits herausragende und prämierte Bauten realisiert hat. Der Brite bleibt bei seiner Architektursprache von 2008/09, den strengen Rhythmus von Kolonnaden an den Rhein zu stellen.

Architektenwettbewerb fürs Festspielhaus
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Architektenwettbewerb fürs Festspielhaus

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Nur dass das Element diesmal nicht horizontal zur Geltung kommt, sondern vertikal gestapelt wird. Vier leicht zueinander verschobene Etagen sind vom Rheinufer her zu sehen, wobei die oberste wie ein riesiger Pavillon für die großzügige Dachterrasse anmutet.

Lütke Daldrup lobte Chipperfields "sehr angemessene Reaktion auf die vorhandene Situation" sowie den schönen, allen Anforderungen der Akustik genügenden Konzertsaal. Die Jury sei beeindruckt gewesen von den Reihen von Stäben, die einzelne Loggien definieren. Bemerkenswert sei die klassische Formsprache: "Die Beethovenhalle wird mit einer neuen, sehr eigenständigen Architektur zusammengebracht."

Chipperfield hat sich bei seinem Entwurf von der Geschichte des Ortes leiten lassen. Seit dem Mittelalter lagen hier Teile der militärischen Stadtbefestigung. "Erstmals in seiner Bebauungsgeschichte darf die Architektur die herausragende strategische Bedeutung des Ortes feiern und genießen", meint Chipperfield, der die Entwicklung vom Bollwerk Neuer Turm aus dem Mittelalter zum sich hoch erhebenden kristallinen Festspielhaus thematisiert.

Der Konzertsaal, eine Shoebox (klassische Form der Schuhschachtel) in gemasertem Nussbaumfurnier, liegt im Zentrum der unteren beiden Ebenen.

Beim Entwurf von Valentiny - hvp architects begeisterte sich die Jury, so Lütke Daldrup, für die "starke Form", die "besondere Geste durch die offene Glasfont" sowie die "geschuppte Haut aus Aluminium". "Große und kleine Welle", so nennt die Deutsche Post den Entwurf des Büros, das das Mozarthaus in Salzburg, das Festival Open Air Mozarteum in Brasilien und das Kulturzentrum Aachen gebaut hat. Mit der "Welle" waren die Luxemburger schon 2009 erfolgreich.

Nun verfahren sie gemäß dem Motto: Warum an einem Siegerentwurf Großes verändern? Das Büro geht erneut mit einer großen und einer kleinen Welle an den Start. Die erscheinen etwas reduziert, punkten aber mit den preiswürdigen Attributen: Da ist einmal dieser konsequente Schwung des Daches, ferner das sich panoramaartig öffnende Foyer, schließlich, von oben gesehen, die Dachsegmente, die dem Bau die Anmutung eines am Rhein in der Sonne liegenden Gürteltiers geben.

"Ein Gebäude für Beethoven soll nicht kantig und geschlossen sein", so das Statement der Architekten, "sondern es wird durch eine einladende Gestik von weichen, dramaturgischen Bewegungen Höhepunkte setzen." Der Konzertsaal ist eine Mischung aus Shoebox und Vineyard (klassische Form des Weinbergs, wie man es in der Berliner Philharmonie findet). Die Decke kann bei der kleineren Nutzung des Saales abgesenkt werden. Auch diesem Bau attestierte die Jury "hervorragende akustische Qualitäten".

Als Solitär, "der mit dem Landschaftsraum korrespondiert und eine eigene Ikonografie hat", lobte der Juryvorsitzende den Entwurf von Kadawittfeld aus Aachen, das mit einer ähnlich konsequenten Annäherung an die Natur auch das Keltenmuseum am Glauberg in Hessen realisierte. "Harmonie von Neubau und Landschaft" nennt die Post den Festspielhaus-Entwurf der Aachener.

Vom Korpus einer Violine scheint der oval daliegende Konzertsaal des Aachener Büros inspiriert zu sein. Der Entwurf, der Lütke Daldrup an eine Muschel erinnert, die auf ihrer kleineren Grundfläche zu liegen kommt, sucht nicht den harten Kontrast zur Beethovenhalle, sondern eine Koexistenz in Harmonie. So folgt der ohne Ecken und Kanten gehaltene Bau von Kadawittfeld der Kuppel-Topografie der historischen Beethovenhalle. Beide Bauten erhalten auch eine gemeinsame Rheinterrasse.

Der Saal in der klassischen Form Vineyard - auch er in Muschelform - gräbt sich wie ein Amphitheater in den Grund ein. "Nach außen setzen sich die 'Schollen' des Untergrunds optisch dann in den Treppenstufen zum Rhein hinunter fort", heißt es in einem Statement. Der Besucher des niedriger als die Beethovenhalle liegenden Festspielhauses kann durch eine verglaste "Fuge" zwischen den Parkett-Terrassen und dem oben liegenden "Resonanzkörper" in den Saal und auf das Wasser schauen.

Das norwegische Architekturbüro Snøhetta, dem das herausragende Opernhaus in Oslo zu verdanken ist, habe sich lange, fast bis zum Schluss im Favoritenkreis gehalten, berichtete Hans-Dieter Petram, Sonderbeauftragter des Vorstandsvorsitzenden Deutsche Post DHL, aus der Jury. Letztlich erschien den Juroren aber der Entwurf für das zur Verfügung stehende Gelände als zu groß. Probleme mit dem Grundstück attestierte Petram auch dem Bonner Architekten Karl-Heinz Schommer. Eine "tolle Geschichte" sei sein Entwurf, befinde sich aber nicht im Baufeld.

Wie geht es weiter? Laut Küpper wird in den nächsten Monaten intensiv mit den drei Finalisten diskutiert. Hinweise der Jury müssen berücksichtigt werden. Küpper rechnet mit einer abschließenden Entscheidung des Wettbewerbs im Frühjahr 2015.

Das Projekt

Baugrundstück: Der Bonner Stadtrat hat grundsätzlich zugestimmt, 6700 Quadratmeter südlich der Beethovenhalle baureif zur Verfügung zu stellen. Die Kosten der Stadt dürfen dabei aber 4,4 Millionen Euro nicht übersteigen. Fehlende Mittel sollen als Fördergelder des Landes beantragt werden. Bedingung ist: Bau und Betrieb des Festspielhauses müssen vollständig durchfinanziert sein, und die Stadt muss trotz ihrer Kostenbeteiligung in der Lage sein, einen genehmigungsfähigen Doppelhaushalt 2015/2016 zu verabschieden.

Baukosten: Das Gebäude muss komplett privat finanziert werden. Die Post hat 70 Millionen Euro als Obergrenze gesetzt und lässt die drei Siegerentwürfe nun durchrechnen. Der Konzern stellt 30 Millionen Euro in Aussicht. Der Förderverein um IHK-Präsident Wolfgang Grießl geht von Spendenzusagen über rund neun Millionen Euro bis Jahresende aus. Die Beethoventaler-Genossenschaft, die mit ihren Einnahmen einen Baukredit finanzieren will, stand zuletzt bei drei Millionen Euro. Alle drei wollen eine Bauherrengesellschaft bilden. Es werden weitere Bausponsoren gesucht.

Betrieb: Eigentümerin wird eine Betriebsstiftung, für die der Bund 39 Millionen, der Rhein-Sieg-Kreis drei und die Sparkasse Köln-Bonn fünf Millionen Euro zur Verfügung stellen. Die Bonner Stadtverwaltung schlägt vor, zwanzig Jahre lang 500.000 Euro jährlich ins Stiftungskapital zu zahlen (insgesamt zehn Millionen Euro) - der Stadtrat soll Anfang 2015 darüber entscheiden.

Was die Stiftungsbeteiligung des Landes NRW betrifft, hofft Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch auf zehn Millionen Euro. Ein im Post-Auftrag erstellter Businessplan rechnet offenbar noch mit einem Jahresdefizit von rund zwei Millionen Euro. Nach GA-Informationen hat Telekom-Chef Timotheus Höttges zugesagt, den Großteil der Lücke zu schließen. Die Stiftung soll laut Auskunft der Stadtverwaltung im Juni oder Juli 2015 gegründet werden.

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