Steigende Obdachlosenzahl in Bonn Caritas und VfG: „Skandalöser Zustand“

Bonn · Alarm schlagen der Caritas-Verband und der Verein für Gefährdetenhilfe (VfG) angesichts gestiegener Obdachlosenzahlen in Bonn.

 Die Zahl der Obdachlosen in Bonn steigt, beklagen Caritas und VfG.

Die Zahl der Obdachlosen in Bonn steigt, beklagen Caritas und VfG.

Foto: picture alliance / dpa

Es müsse dringend bezahlbarer Wohnraum für diese Menschen geschaffen werden. „Schaut man sich die Zahlen an, sieht man, was los ist. Das ist ein skandalöser Zustand“, sagt Caritas-Direktor Jean-Pierre Schneider.

Auch VfG-Geschäftsführerin Nelly Grunwald spricht von „einer dramatischen Lage“. Das NRW-Sozialministerium hatte am Mittwoch den Obdachlosenbericht vorgestellt (der GA berichtete). Daraus geht hervor, dass die Zahl der in Bonn gemeldeten Obdachlosen vergangenes Jahr auf 683 angestiegen ist (2015: 576/2014: 424 ).

Die Zahlen in den ähnlich großen Oberzentren Münster (809) und Bielefeld (1060) liegen allerdings noch darüber. Den Anstieg relativiert das Ministerium allerdings. Viele freie Träger melden ihre Zahlen erst seit Kurzem.

Caritas, VfG und die Stadt Bonn bieten zumindest eine vorübergehende Bleibe für diese Menschen an. Die Auslastung der Schlafplätze liege bei 100 Prozent. Die 190 vorübergehenden Wohnplätze der Caritas liegen an sieben Standorten zumeist im Innenstadtbereich, das größte ist das Prälat-Schleich-Haus.

Der VfG mit 70 Plätzen im Haus Sebastian in Endenich sei regelmäßig überbelegt, so Grunwald. Das geschieht auch, weil ein gesetzlicher Anspruch bestünde. Die VfG-Chefin betont allerdings, dass dieser Anspruch nur für deutsche Staatsbürger besteht.

Mehr Betten fordert Grunwald trotzdem nicht: „Der Kern des Problems ist ein anderer. Wir brauchen mehr geförderten Wohnungsbau und vor allem kleine Wohnungen.“ Die Klientel sei meist alleinstehend. Vielen sei ein Ein-Zimmer-Appartement genug. Aber sie bräuchten eben einen Raum, in dem Privatsphäre möglich ist.

Gegen Vorurteile müssten sie überdies ankämpfen, „obwohl viele durchaus in der Lage sind, ihr Leben alleine auf die Reihe zu bekommen“. Eine Quote für verbindlichen sozialen Wohnungsbau hält sie deshalb für dringend geboten. Die Lage habe sich vor allem zugespitzt, nachdem die Kommunalpolitik vor einigen Jahren entschieden hat, einen Großteil ihrer Sozialwohnungen zu veräußern. „Das haben wir sofort gespürt“, sagt Grunwald. Mit der städtischen Wohnungshilfe arbeite der VfG zwar gut zusammen, aber der enge Wohnungsmarkt setze eben Grenzen.

Schneider sieht das ähnlich. Gerade die Zahl junger Obdachloser sei in den vergangenen Jahren angestiegen. Die Notübernachtungen seien das eine, er weist aber auch auf die Angebote der Schuldnerberatung als Präventionsinstrument hin.

Gerade wegen der Wohnungsnot müsste bei Mietrückständen oder hohen Nebenkostennachzahlungen sofort reagiert werden und nicht erst, wenn es bereits zu spät ist. Die Krisenhilfe Wohnungsnot biete gerade in Notfällen schnelle Termine an. Immer wieder kommen Menschen, die sich im Streit von ihren Partnern getrennt haben oder vom Gerichtsvollzieher Besuch bekommen haben, ins Prälat-Schleich-Haus am Alten Friedhof.

Dort registriert Caritas-Fachbereichsleiter Gerhard Roden pro Jahr 500 bis 600 „Erstauftritte. 92 Prozent davon sind wohnungslos. Damit sind viele Möglichkeiten bereits verschenkt.“

Aus Sicht der Stadt sind die Unterkünfte für Wohnungslose ausreichend. 220 betreibt die Stadt in Dransdorf für Familien, bei Bedarf werde der städtische Sozialdienst eingeschaltet. Sozialberatungen fänden auch direkt bei den caritativen Trägern statt. Zurzeit seien 74 Alleinstehende im Haus Sebastian und 144 Familienmitglieder in Bonn untergebracht.

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