Gericht Bonner Versicherungsmitarbeiter erfindet jahrelang Patienten

Bonn · Kleinlaut gibt der Mann auf der Anklagebank zu, was er getan hat: Als Mitarbeiter einer Reisekrankenversicherung erfand er jahrelang Patienten, Krankheitsfälle und Ärzte und wirtschaftete so kontinuierlich in die eigene Tasche.

Untreue in 111 Fällen wirft die Anklage ihm vor, der Versicherung fügte er einen Schaden von 131 000 Euro zu. Doch nun vor dem Bonner Amtsgericht will der 37-jährige Vater von zwei kleinen Kindern reinen Tisch machen.

Ermöglicht wurden ihm die Manipulationen, weil er bei der Versicherung zuständig war für die Prüfung und Erstattung von Rechnungen bis jeweils 2500 Euro. Und diese Befugnis nutzte er von Januar 2013 bis August 2016 weidlich aus: Er legte Akten an für fingierte Personen, fertigte Arztrechnungen fiktiver Ärzte an und überwies sich die Gelder auf Konten, die ihm oder seiner Frau gehörten. Dass er auch andere Personen bat, ihre Konten benutzen zu dürfen für ein Entgelt von 100 Euro, wurde ihm allerdings zum Verhängnis: Als ein Auszubildender mit geringem Einkommen, auf dessen Konto auch ergaunertes Geld in Höhe von 9700 Euro geflossen war, dieses Geld für ihn abheben wollte, wurde man bei der Bank misstrauisch, dachte an Geldwäsche und alarmierte die Polizei. Der Stein kam ins Rollen, und der 37-Jährige geriet ins Visier der Ermittler.

Als die Polizei schließlich bei ihm vor Tür stand, trat der Versicherungsangestellte die Flucht nach vorn an. Da er über die Ermittlungen in Kenntnis gesetzt worden war, hatte er sich vorbereitet und bei der Bank 50 000 Euro abgehoben, um den Schaden so schnell wie möglich ausgleichen zu können. Diese Summe übergab er den Polizeibeamten, gestand alles und brachte den Ermittlern wenig später noch einmal höchstpersönlich 20 000 Euro vorbei. Inzwischen hat er seine Eigentumswohnung verkauft und insgesamt 121 000 Euro an die Versicherung zurückgezahlt. Den restlichen Schaden will er nun in zehn Monatsraten von 1000 Euro begleichen.

Als Motiv für seine Untreue erklärt der 37-Jährige: Mit dem Geld habe er sich einer Stammzellentherapie in den USA oder England unterziehen wollen, die 70 000 Euro koste und von der Kasse nicht bezahlt werde. Er, der früher Leistungssport betrieben habe, leide nämlich seit einem Unfall mit Bruch des Rückgrats unter Nervenschädigungen in den Füßen, könne nur noch mit Schienen gehen und habe ständig Schmerzen. Doch der 37-Jährige gibt auch zu: Er habe sich mit dem Geld auch ein schönes Leben gemacht.

Sein frühes und umfassendes Geständnis, die schnelle Schadenswiedergutmachung, seine bisherige Unbescholtenheit und auch seine Motivlage zahlen sich schließlich aus: Das Schöffengericht verurteilt ihn zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung und erlegt ihm auf, den Schaden gänzlich wiedergutzumachen. Das verspricht der Angeklagte, der inzwischen eine neue Stelle hat. Das Urteil nimmt er an.

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