Elterninitiative „Down & Up“ Alltag mit einem behinderten Kind

Bonn · Dagmar Kirsche gehört zu den Eltern, die sich bewusst für ein Kind mit Down-Syndrom entschieden haben. Die Mutter schildert ihre Erfahrungen.

„Das war wie ein Festival und der Ehrentag von Tim, meinem Sohn“, berichtet Dagmar Kirsche über die Eröffnung von „Touchdown“ im vergangenen Oktober. Die 44-jährige Sozialpädagogin hat in der Bundeskunsthalle über Menschen mit Down-Syndrom und auch ihre persönliche Familiengeschichte erzählt. Eins ihrer drei Kinder, Tim, ist vor zehn Jahren mit Trisomie 21 auf die Welt gekommen. Menschen mit Down-Syndrom haben in jeder ihrer Zellen ein Chromosom mehr, also 47 statt 46.

Erst in der zwölften Schwangerschaftswoche habe sie erfahren, dass ihr Kind wahrscheinlich mit Down-Syndrom auf die Welt kommen würde. Der „unsensible Umgang“ der Ärzte sei verstörend gewesen. „Wir sprachen nur darüber, dass ich wenig Zeit hätte, zwischen Abbruch und Fortsetzung der Schwangerschaft zu wählen.“ Ihr „Trauerprozess“ sei intensiv und lang gewesen. Und ihr Idealbild von ihrem Kind im Bauch zunächst erschüttert.

Was der 44-Jährigen half: eine Familie zu besuchen, in der ein Kind mit Down-Syndrom lebt. „So ein Kind möchte ich auch, habe ich danach gedacht. Das ist pure Lebensrealität“, sagt Kirsche. Auf der Suche nach anderen betroffenen Eltern ist vor elf Jahren die Elterninitiative „Down & Up“ entstanden. Sie umspannt inzwischen ein Netzwerk von etwa 60 Familien in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis. Dagmar Kirsche und andere Eltern mit Kindern mit Down-Syndrom beraten werdende Eltern und vermitteln ihnen ein realistisches Bild von der eigenen Familiensituation.

Der Trauerprozess verläuft unterschiedlich

„Am Anfang von “Down & Up„ sind wir an Kliniken, Ärzte und Pränataldiagnostiker herangetreten und haben uns für eine sensible Vermittlung der Diagnose eingesetzt“, sagt Kirsche. Viel zu voreilig rate man Eltern zu einem Schwangerschaftsabbruch. „Für uns ist es ein Affront, dass inzwischen stark spezialisierte Tests immer früher ermitteln können, dass mit dem Kind etwas nicht stimmt“, so Kirsche. Ihr werde damit suggeriert, dass ihrem Tim ein Recht auf ein lebenswertes Leben nicht zustehe.

Doch wenn Dagmar Kirsche für einen Moment aus ihrer Mutterrolle in die der Sozialpädagogin schlüpft, weiß sie: Ein Leben mit einem Kind mit Behinderung ist für Eltern nicht einfach. Gerade wenn das Kind zur Welt komme, seien viele befangen. Wie reagiert das Umfeld? Wie gehe ich selbst damit um? „Es gibt eine enorme Diskrepanz zwischen Eltern, die die Diagnose vor der Geburt erhalten, und solchen, die erst mit der Geburt von der Behinderung ihres Kindes erfahren“, berichtet Kirsche von ihren Erfahrungen. Der Trauerprozess verliefe völlig unterschiedlich, da den Menschen eine aktive Entscheidung für das Kind verwehrt bleibe.

Dagmar Kirsche gehört zu den Eltern, die sich bewusst für ein Kind mit Down-Syndrom entschieden haben. Mit einem Mann an der Seite, der voll und ganz hinter ihr steht. „Alle unsere Elternstammtische enden mit der Diskussion über den richtigen Zeitpunkt der Diagnose. Das beschäftigt uns.“

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