Der "heiße Stuhl" 15 Fragen an Bundestagskandidat Ulrich Kelber (SPD)

Bonn · Am 24. September ist Bundestagswahl. Die Redaktion des General-Anzeigers hat die sechs Bonner Direktkandidaten mit den meisten Chancen auf den "heißen Stuhl" eingeladen.

 Interview "Heißer Stuhl" mit Ulrich Kelber im Verlag.

Interview "Heißer Stuhl" mit Ulrich Kelber im Verlag.

Foto: Benjamin Westhoff

Wie wollen Sie verhindern, dass die Bundesregierung weiter Ministeriumsposten in Bonn abbaut?

Ulrich Kelber: Es ist sehr ärgerlich, dass es auf der einen Seite immer wieder Bekenntnisse zum Berlin-Bonn-Gesetz gibt, dann aber Arbeitsplätze umgezogen werden. Wir brauchen einen Bonn-Vertrag mit der Bundesregierung, das heißt es wird vertraglich verbindlich festgelegt, wie die Rolle der Bundesstadt Bonn in Zukunft aussehen soll.

Die umstrittene Südtangente als Verbindung zwischen A3 und A 565: Sollte man die Planung vorantreiben oder beerdigen?

Kelber: Die Südtangente ist ein gefährliches Wolkenkuckucksheim. Allein die Planung kostet 100 Millionen Euro. Wer das vorantreibt, gefährdet die Finanzierung der anderen, schneller umzusetzenden Verkehrsprojekte, wie den Ausbau der Autobahnen oder der Schienenstrecken. Und wir wissen aus den Planungsunterlagen: Die Südtangente würde viele Tausend zusätzliche Lkws im Durchgangsverkehr ins Rheintal locken. Also: nichts machen, das ist meine ganz klare Position.

Bezahlbare Wohnungen in Bonn sind knapp: Warum zieht die Mietpreisbremse nicht?

Kelber: Das größte Problem sind die Mieten und auch die Kaufpreise, für die, die Eigentum bilden wollen. Die Mietpreisbremse funktioniert, wenn jemand sich den Mut nimmt, zu klagen. Aber viele scheuen das Risiko, weil sie die Situation nicht gut einschätzen können. Deswegen würde ich gerne die Mietpreisbremse nachschärfen, wenn der Vermieter sich auf die Ausnahme höhere Vormiete beruft, dann muss er sie mit dem Vertragsabschluss angeben, hat also eine Auskunftspflicht , ansonsten gilt die Mietpreisbremse automatisch. Bei allen Gerichtsverfahren, die es bisher gegeben hat, hat die Mietpreisbremse zu einer Minderung geführt.

Bonn ist der größte UN-Standort in Deutschland: Was wollen Sie tun, um diesen Vorteil weiter auszubauen?

Kelber: Deutschland muss verstehen, dass hier in Bonn aus Ministerien, UN, internationalen Organisationen, nationalen Behörden, Wissenschaft und Unternehmen ein einmaliges Kompetenzzentrum für viele Themen entstanden ist, von dem nicht nur Bonn, sondern ganz Deutschland profitiert. Von daher: Teil des Bonn-Vertrags muss auch der weitere Ausbau dieses internationalen Zentrums sein.

Bonn gibt für die Flüchtlingsbetreuung mehr aus, als es von Bund und Land erstattet bekommt. Wie kann man das ändern?

Kelber: Wir müssen zu einer Eins-zu-Eins-Erstattung kommen. Es ist deutlich besser als in den Vorjahren geworden. Aber in der Tat, die Frage von Flüchtlingen, von Bürgerkriegen weltweit, Naturkatastrophen, ist keine Aufgabe der Kommune, sondern bundesstaatliche Aufgabe. Von dort ( vom Bund Anm. d. Red.) müssen die Gelder in die Kommunen fließen.

Stichwort Aufnahme von Flüchtlingen: Sind Sie für eine Obergrenze? Wenn ja: bei welcher Zahl?

Kelber: Ein Grundrecht hat keine Obergrenze. Sie können nicht sagen: Ab heute nehme ich niemanden mehr auf, auch wenn er vom Tod bedroht ist. Allerdings müssen Sie eine Politik machen, die dafür sorgt, dass die Zahlen nicht wieder so durch die Decke gehen wie 2015 und 2016. Dass heißt erstens in den Ursprungsländern, zweitens an den Schmugglerquoten und wir brauchen eine Solidarität in der Europäischen Union.

Vollverschleierung löst bei vielen Einheimischen Unbehagen aus. Sind Sie für ein Verbot in der Öffentlichkeit?

Kelber: Ich kann diese Vollverschleierung überhaupt nicht leiden. Es ist allerdings auch nicht unser größtes Problem. Das wird von einigen aufgebauscht. Ich bin ganz klar der Meinung, dass dort, wo man sein Gesicht zeigen muss – beim Abholen von Kindern, auf dem Amt, bei anderen Gelegenheiten – eine Vollverschleierung nichts zu suchen hat.

Bonn gilt auch als Salafisten-Hochburg, und wir leben in einer Ära des Terrors: Was kann der Staat tun, um die Gefahr zu verringern?

Kelber: Sicherheit ist immer ein Dreiklang aus: erstens mehr Polizistinnen und Polizisten, zweitens mehr Prävention und drittens besserer Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden. Wir haben bei Terroranschlägen in ganz Europa gemerkt: Wir kannten die Terroristen alle schon vorher als Gefährder. Die Zusammenarbeit zwischen den Behörden hat nicht geklappt. Das muss vor allem verbessert werden.

Erst G 8 an den Gymnasien in NRW, jetzt zurück zu G 9: Wäre es für Schüler besser, Bildung bundesweit einheitlich zu regeln?

Kelber: Es wäre auf jeden Fall besser, wenn die Bundesländer sich besser absprechen würden, dafür haben sie eine Kultusministerkonferenz. Es kann nicht sein, dass der Umzug eines Kindes zu einer Katastrophe werden kann. Wenn die Bundesländer die Zuständigkeit für die Bildung behalten wollen, dann müssen sie liefern und das darf nicht an den Kindern ausgelassen werden.

Das ICE-Angebot ab Bonn Hauptbahnhof wird immer schlechter: Ist das akzeptabel für den zweiten Regierungssitz und den Standort von Weltkonzernen wie Post und Telekom?

Kelber: Wir brauchen insgesamt mehr Personenschienenverkehr. Linksrheinisch ist das Problem, dass der Schienenknoten Köln nicht mehr leistungsfähig ist. Deswegen ist es gut, dass wir im Bundesverkehrswegeplan eine Milliarde dafür bekommen haben, dass der Schienenknoten Köln ausgebaut wird. Wenn das funktioniert – ein drittes, viertes Gleis weiter auch Richtung Bonn, dann brauchen wir auch mehr Fern- und Nahverkehrsangebote am Bonner Hauptbahnhof.

Kurz vor der Sommerpause hat der Bundestag die Ehe für homosexuelle Paare beschlossen: Wie stehen Sie dazu?

Kelber: Ich habe mit Ja gestimmt. Ich habe auch im Rechtsausschuss dafür gekämpft, dass wir soweit kommen. Das war eine völlig unnötige Diskriminierung. Es ist gut, dass wir das abgeschlossen haben.

Sind Sie für mehr Videoüberwachung an Straßen und Plätzen?

Kelber: Ich bin nicht für mehr Videoüberwachung überall, weil wir gar nicht das Personal haben, das auszuwerten und bestimmte Terroristen suchen sogar die Orte, an denen überwacht wird. Aber Videoüberwachung kann an bestimmten Stellen helfen, zum Beispiel die Ansammlung von Gewalttätern zu unterbrechen. Wir müssen daher von Ort zu Ort entscheiden.

Ab Oktober gilt das Gesetz zur Bekämpfung von Hasskommentaren im Internet. Ist das ein Angriff auf die Meinungsfreiheit?

Kelber: Nein, es geht nur um strafbare Inhalte, die auch schon in der Vergangenheit strafbar waren und auch in der Vergangenheit hätten gelöscht werden müssen. Niemand hat das Recht, eine technologische Plattform dazu zu verwenden, Hasskriminalität zu verbreiten. Jetzt muss auch Facebook liefern, so wie das andere zum Beispiel auch journalistische Inhalte in der Vergangenheit schon immer getan haben.

Bonn feiert 2020 das Beethoven-Jubiläum: Was muss passieren, damit die investierten Millionen der Stadt nachhaltig nützen?

Kelber: Also ich freue mich erstmal, dass wir es geschafft haben, dass der Bund mit 27 Millionen Euro das Beethovenjubiläum unterstützt, aber es darf nicht nur ein rauschendes Fest und danach nichts werden. Wir müssen die Pflege von Beethoven, die auch eine wirtschaftliche Bedeutung für Bonn hat, auf ein höheres Niveau nehmen. Das heißt insbesondere, das Beethovenfest muss ein Musikfestival von internationalem Standard werden – mit Bundesunterstützung danach.

Warum sollen die Bonner Sie wählen?

Kelber: Ich möchte gerne, dass wir die wirtschaftliche Stärke jetzt nutzen, in unsere Zukunft zu investieren, in bezahlbares Wohnen, Bildung. Ich möchte, dass Bonn bezahlbar bleibt für alle – da geht es um Bildungsgebühren, aber auch um Mieten. Das Dritte ist: Ich glaube tatsächlich, dass wir einen Bonn-Vertrag brauchen, um endlich Planungssicherheit für Bonn zu haben. Ich freue mich, dass der Vorschlag nun auch von allen anderen Parteien unterstützt wird.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort