LVR-Landesmuseum René Bölls gemalte Denkmäler in Bonn

Im Jahre 1955 entdeckte der Knabe René Böll auf der irischen Halbinsel Achill Island die geheimnisvollen Cillíní, Orte, an denen ungetauft gestorbene Kinder bestattet wurden.

Zarte Impression aus René Bölls Serie Cillíní.

Zarte Impression aus René Bölls Serie Cillíní.

Foto: Museum

Denn - das erfuhr er viel später - nach alter katholischer Lehre war ihnen, da mit der Erbsünde behaftet, ein Grab in geweihter Erde versagt. Kein Kreuz, kein Grabstein wurde zu ihrer Erinnerung gesetzt. Allein Natursteine, so wie sie da liegen oder aus dem Boden wachsen, markieren die anonymen Grabstätten. Wer diesen in finstere Vergangenheiten zurückreichenden Brauch nicht kennt, wird die Cillíní kaum jemals entdecken.

René Böll aber war von einer traurigen Faszination erfasst; und so kehrte er sehr viel später zu den Orten seiner Kindheit zurück, sah sie nun "mit älteren Augen" und begann, den - auch aus dem Gedächtnis - ausgegrenzten Kleinen auf seine Weise Denkmäler zu setzen. Er fotografierte die karge Landschaft und übersetzte sie in seine eigenen Farblandschaften. Diese Zeugnisse seines besonderen Gedenkens werden derzeit in der Ausstellung des Bonner LVR-Landesmuseums "René Böll.

Cillíní - Die Friedhöfe der ungetauften Kinder Irlands auf Achill Island" ausgebreitet. Dabei stimmen seine graugrünen Fotografien der herben Küsten und Landstriche, ganz ohne die Sonne, in das bewegende Thema ein. Die blutroten Aquarelle mit dem abweichenden Titel "Tod des Empedokles" (nach Friedrich Hölderlin) muten wie Vorstufen der großen, farbstarken Leinwände an.

Man könnte sie sehr wohl als Farbfeldmalerei deuten, doch hier und da lässt sich ein Merkmal der Landschaft - ein Felsen, ein Riff, eine Bergkette, eine Küste - erkennen. Böll nutzt Öl, Acryl, Pigmente und Steingranulat, womit er haptische Strukturen erzeugt. Keine Leinwand ist monochrom.

Böll hat sie vielmehr in zahlreichen Schichten über- und ineinander gemalt; und er, der mit fernöstlichen Kulturen vertraut ist, hat den Leinwänden Verse im Stil der japanischen Haiku zur Seite gestellt: "leben konntest du nicht / mein kind ohne namen / es blieb nur ein stein am meer" und, als gäbe es eine Antwort darauf: "etwas besseres als den tod / fand ich nicht / bei meinem besuch auf dieser erde".

Mit frei stehenden Altartafeln verleiht der Künstler seinem Thema eine sakrale Aura. Zwei beidseitig bemalte Triptychen auf Predellen, antithetisch um ein drittes Objekt aufgebaut, verwandeln Farblandschaften in begehbare Farbräume. Die Tafeln assoziieren den Verlauf der Tageszeiten vom schmerzlich hellen Morgengelb bis zum alles verhüllenden Nachtblau. Ein einziges Mal, auf der glutroten Tafel eines Triptychons, zeigt sich schemenhaft eine menschliche Gestalt. Sonst aber sind es auch hier nur Andeutungen von Landschaftsformationen.

Und dann gibt es am Ende noch eine sehr große Leinwand mit dem Titel "Namenlos". Das Pastellkolorit eines Rokokohimmels wirkt tröstlich. Immerhin existiert inzwischen ein bereits 2007 veröffentlichter Bericht der "Internationalen Theologischen Kommission". Demnach besteht die Hoffnung, dass "ungetauft sterbende Kinder gerettet und zur ewigen Seligkeit geführt werden können ..."

LVR-Landesmusem bis 5. Januar 2015; Di bis Fr und So 11-18, Sa 13-18 Uhr; Katalog 14.90 Euro

Meistgelesen
Neueste Artikel
Daniel Johannes Mayr dirigiert das Beethoven
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCampNeue Musik zwischen Wohnwagen
Zum Thema
Aus dem Ressort