Beethoven-Woche des Beethoven-Hauses Jean-Guihen Queyras: Die Bühne ist mein Zuhause

Ein Instrument aus dem Besitz Ludwig van Beethovens zu spielen, ist für jeden Musiker ein Glück. Freilich mehr wegen der besonderen Aura als wegen der Qualität des Objekts. Der Cellist Jean-Guihen Queyras, der die Beethoven-Woche des Beethoven-Hauses am kommenden Sonntag, 19.30 Uhr, mit einem originalen Instrument aus dem Besitz des Komponisten eröffnet, hat es vorher schon mal genau unter die Lupe nehmen können.

 Jean Guihen Queyras ist begeistert vom Violoncello aus Beethovens Besitz.

Jean Guihen Queyras ist begeistert vom Violoncello aus Beethovens Besitz.

Foto: Marco Borggreve

"Das ist ein sehr gutes Cello", resümiert er. "Ich finde, dass es sich besonders für Kammermusik eignet. Es hat keinen großen Klang, aber einen in allen Lagen sehr ausgeglichenen." Es gebe Instrumente, bei denen man viel Zeit brauche, um sich darauf einzustellen. "Hier war es genau das Gegenteil", sagt er. Die Vorfreude, zusammen mit dem Pianisten Alexander Melnikov die beiden späten Sonaten für Violoncello und Klavier op. 102 Nr. 1 und 2 darauf spielen zu können, ist jedenfalls groß. Auch am Dienstag, wenn Queyras sich im Kammermusiksaal bei einem weiteren Konzert mit jungen Cello-Ensembles aus Köln und Bonn zusammentun wird, will er Beethovens Cello noch einmal in die Hand nehmen, "um vielleicht ein oder zwei Sätze aus Bachs Suiten zu spielen".

Queyras ist einer der interessantesten Cellisten, die man derzeit in den Konzertsälen der Welt erleben kann. Kaum einer hat so ein breit gefächertes Repertoire wie er, kaum einer ist zugleich ein so begeisterter Ensemble-Spieler und Solist. Das Programm "Six Suites - Six Echoes", das der in Freiburg lebende Musiker vor Weihnachten in der Kölner Philharmonie spielte, könnte man als Selbstporträt verstehen: Er spielte nämlich nicht einfach die sechs Suiten von Bach, sondern hatte für dieses Programm Komponisten wie Ivan Fedele, Gilbert Amy oder Jonathan Harvey gebeten, Präludien oder Zwischenmusiken zu Bachs Suiten zu komponieren.

Das Programm wuchs sich so auf über drei Stunden aus, was selbst für den vielbeschäftigten Queyras eine extreme Anspannung bedeutet. "Aber man fühlt sich auch so erfüllt", sagt er, "und das kompensiert die Kraft, die ein solcher Abend kostet." Geboren wurde Jean-Guihen Queyras 1967 im kanadischen Montreal. Als sein aus Frankreich stammender Vater fünf Jahre später beruflich nach Algerien weiterziehen musste, ging die Familie mit. Wieder drei Jahre später packte die Familie erneut ihre Koffer und zog in ein kleines Dorf in die Provence. Hier schlug man endlich Wurzeln.

Queyras sollte später gemeinsam mit seinem älteren Bruder, der Geiger ist, in seiner dritten Heimat sogar ein eigenes Kammermusikfestival gründen. Jean-Guihen Queyras begann erst hier, sich mit Musik zu beschäftigen. Rückblickend sieht er in seinem Aufwachsen in den verschiedenen "Kontexten", wie er es nennt, die Saat für seine breit gestreuten künstlerischen Interessen. Außerdem, sagt er, trage er durch seine Kindheit das Straßenmusikerwesen in der Seele: "Ich komme irgendwohin und betrete die Bühne. Und diese Bühne ist dann für einen Abend mein Zuhause. Wenn sich das Publikum dann auch zu Hause fühlt, ist das ein idealer Zustand."

Neun Jahre war Queyras bereits alt, als er erstmals ein Violoncello in der Hand hielt. Aber der Junge zeigte sich so talentiert, dass er schon mit 13 zum Konservatorium nach Lyon ging, mit 17 nach Freiburg und mit 20 nach New York an die Juilliard School wechselte. Allerdings drängte es ihn bald wieder in die Alte Welt, wo er sich mit 23 in Paris erfolgreich für einen Platz in Pierre Boulez' Ensemble intercontemporain bewarb und dort zehn Jahre lang blieb. "Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Boulez die wichtigste Persönlichkeit in meiner Laufbahn gewesen ist", sagt Queyras, der erst am vergangenen Sonntag in Boulez' Wahlheimat Baden-Baden an einem Konzert zum 90. Geburtstag der Komponisten und Dirigenten mitwirkte und dessen Komposition "Messagequisse" für Solocello und sechs Violoncelli spielte.

Regelmäßige Gäste seines eigenen Festivals in der Provence sind unter anderem die Geiger Antje Weithaas und Daniel Sepec sowie die Bratschistin Tabea Zimmermann, die mit Queyras zusammen seit mehr als zehn Jahren das Arcanto Quartett bilden. Tabea Zimmermann, die als Vorsitzende des Vorstandes und des Stiftungsrates des Beethoven-Hauses nun erstmals auch die künstlerische Leitung der Beethoven-Woche innehat, versammelt das Quartett am Montag, 19.30 Uhr, im Kammermusiksaal um sich. Gespielt werden Stücke von Bach ("Kunst der Fuge") und Brahms (Streichquintett op. 88 mit Rosalind Ventris an der zweiten Bratsche). Queyras musiziert leidenschaftlich gern in diesem Quartett. Denn das Musizieren ist für ihn viel mehr als die professionelle Übereinkunft über Tempi und Stil. Es hat auch mit Freundschaft zu tun.

Programminfos unter www.beethoven-haus-bonn.de. Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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