Haus der Papierindustrie Ein Universum ganz aus Pappe
BONN · Aus kindgerechten Theaterbühnen, Figuren und Requisiten, die Björn von Schlippe einst für seine Tochter entwickelte, ist ab 1996 eine Kunstsparte hervorgegangen, die der Urheber nunmehr "Kartonismus" nennt.
Was genau darunter zu verstehen ist, veranschaulicht das gleichnamige Projekt des 1966 geborenen Münsteraners. Bereits im Eingangsbereich der Ausstellung lehren auf Kartonagen und Wellpappe basierende Wandmodelle das Staunen. In kräftigen Farben schwelgt ein sehenswertes Ensemble, das die Modellier- und Fabulierlust, die überbordende Fantasie des im Bereich Werbung und Storyboard engagierten Profigrafikers verrät. Ein schier unermüdliches Raspeln, Tranchieren, Stapeln, Türmen, Addieren, Verkitten und Bemalen mündet etwa in plastisch aufgeblähte Ornamentik, in dreidimensionale Geometrie, in Säulen, Konsolen und Schreine, in Bühnen, TV-Bildschirme, Peepshows oder in Menschenkörper, die ebenso zum Füllhorn von meist vitalen Szenen und jeder Menge von Details und Pointen mutieren.
Dieser Vielfalt entspricht ein ausschweifendes Themenkonsortium, das Schwerpunkte wie Mythen, Bibel, Märchen, Alltag und Gesellschaft genauso wie die Bereiche Eros und Vergänglichkeit durchkreuzt. Trotz so manch melancholisch besinnlichem Anflug dominiert insgesamt der Tenor von Witz, Komödie, Kapriole und des Dionysischen.
Zwischen "Lust und Hölle" angesiedelt sind mitunter mobile Inszenierungen ("Dreh durch") Markt-, Hafen- Meeres- und Bahnhofsepisoden, das Gerangel der Geschlechter, Traumgesichte oder der Klassiker "Modell und Künstler". Die plastischen Papiereskapaden reichen bis hin zum markant modellierten Charakterkopf "Joschka Fischer".
Haus der Papierindustrie, Adenauerallee 95, bis 6. Juni. Mo- Do 9 bis 16 Uhr, Fr 9 bis 14 Uhr.
