Ehemaliger Sitz des Justizministeriums in Kessenich Auf der Suche nach dem alten Geist der Rosenburg

BONN · Von 1950 bis 1973 hatte das Justizministerium seinen Sitz in der Kessenicher Rosenburg. Wichtige Jahre für das Rechtswesen der Bundesrepublik, denn gerade in dieser Zeit wurden dafür viele Grundlagen gelegt.

 Mit modernem Anbau: In der Rosenburg sind heute vorwiegend Wohnungen eingerichtet.

Mit modernem Anbau: In der Rosenburg sind heute vorwiegend Wohnungen eingerichtet.

Foto: Horst Müller

Daran beteiligt waren zahlreiche Beamte, die auch schon in den 30er und 40er Jahren, also in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, im deutschen Justizapparat tätig waren - und seinerzeit Schuld auf sich geladen hatten.

All das ist nachzulesen in dem Sammelband "Die Rosenburg", den der Potsdamer Historiker Manfred Görtemaker und der Marburger Rechtswissenschaftler Christoph Safferling im Frühjahr veröffentlicht hatten. Am Donnerstagabend stellten sie das Buch im Haus der Geschichte vor.

Doch die beiden beließen es nicht bei der Darstellung dessen, was sie schon publiziert haben. "Unsere eigentliche Forschungsarbeit beginnt erst", meinte Görtemaker. Dazu gehört die Auswertung der ungeordnet im Keller des heutigen Justizministeriums in Berlin liegenden Personalakten und die Befragung von Zeitzeugen. Erst am Donnerstag interviewten sie Horst Ehmke, von 1967 bis 1969 zunächst Justizstaatssekretär und dann -minister.

Gerade in den 60er Jahren, so Görtemaker, hätten alle Abteilungsleiter im Ministerium eine NS-Vergangenheit gehabt. Ob aber "ein alter Geist" Auswirkungen auf Gesetzgebungsverfahren in der jungen Bundesrepublik gehabt habe, dieser Frage müsse intensiv nachgegangen werden.

Die bisher befragten Zeitzeugen hätten angedeutet, dass die NS-Vergangenheit keinen Einfluss auf die konkrete Arbeit im Justizministerium hatte. "Trotz der großen personellen Kontinuität hat es offenbar", so der Historiker, "eine bemerkenswerte Wandlungsfähigkeit" gegeben, die dazu geführt habe, dass im Justizministerium "Großartiges an Rechtsstaatlichkeit" hervorgebracht worden sei.

Doch die Forscher kritisierten, dass man sich bis in die 80er Jahre hinein überhaupt keine Gedanken über die Vergangenheit machte. Andererseits: In den Personalakten finden sich auch Hinweise, dass es Diskussionen darüber gab, ob ein Mitarbeiter charakterlich geeignet war, am Neuaufbau der Justiz mitzuarbeiten.

So berichtete Safferling, dass NRW-Justizminister Rudolf Amelunxen Anfang der 50er Jahre seinem Kollegen im Bund, Thomas Dehler, unbedingt davon abriet, Ernst Kanter in der Rosenburg zu beschäftigen. Dieser war von 1942 bis 1945 oberster Kriegsrichter in Dänemark. Allein das disqualifiziere ihn für ein hohes Amt in Bonn, so Amelunxen. Dehler dagegen lobte Kanter für dessen Zuverlässigkeit und demokratisches Bewusstsein.

Das zeige, so der Bonner Rechtswissenschaftler Christian Hillgruber gestern, dass man die Augen nicht vor der NS-Belastung verschlossen habe. Dehler, selbst Verfolgter der Nazis, habe sich "honorig" verhalten. Görtemaker und Safferling wollen ihren Abschlussband 2015 vorlegen.

Manfred Görtemaker, Christoph Safferling (Hrsg.): Die Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Vergangenheit - eine Bestandsaufnahme. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013. 373 Seiten. 49,99 Euro

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