Bundestagspräsident Norbert Lammert in Bonn Von der Krönung zur Bonner Republik

BONN · Es gibt sicherlich wichtigere Jahrestage, als jenes zu gedenken, als sich vor 700 Jahren Friedrich III. im Bonner Münster zum König krönen ließ. Doch die drei Redner, die in einer Matinée im Alten Rathaus der Königskrönung Friedrich des Schönen gedachten, schafften es doch auf humorige wie feinsinnige Art, Bezüge zur Gegenwart zu ziehen.

 Norbert Lammert spricht im Alten Rathaus.

Norbert Lammert spricht im Alten Rathaus.

Foto: Horst Müller

So nutzte der Rektor der Universität Bonn, Jürgen Fohrmann, die Gunst der Stunde, um gegenüber Bundestagspräsident Norbert Lammert, der Bundestagsabgeordneten Claudia Lücking-Michel und Landtagsabgeordneten Renate Hendricks ein wenig Kritik an der "bildungspolitischen Ausdünnung des Wissens" zu üben und gleichzeitig die herausragende Rolle der Wissenschaften, in diesem Falle der Historiker, herauszustellen, die sich kürzlich mit dem Ereignis am 25. November 1314 intensiv auf einem Symposium beschäftigten. Damals vor 700 Jahren kämpften die Wittelsbacher, die Luxemburger und eben das Haus Habsburg um die Vorherrschaft in Europa. Und nach einigen turbulenten Ereignissen ließ sich Friedrich der III. in Bonn krönen, während sein Kontrahent Herzog Ludwig von Bayern sich in Aachen die Krone aufs Haupt setzen ließ. Natürlich hieß das Krieg, und Friedrich unterlag, wurde drei Jahre auf Burg Trausnitz festgehalten, während seine beiden Brüder weiter gegen den Bayern kämpften.

Ludwig entließ Friedrich mit der Auflage, seine Brüder dazu zu bewegen, die Waffen zu strecken. Als ihm dies nicht gelang, kehrte Friedrich freiwillig in die Gefangenschaft zurück. Was für ein Thema für ein Drama! König Ludwig war jedenfalls davon so beeindruckt, dass er Friedrich zum Mitregenten machte, und sie führten gemeinsam den Titel "römischer König".

Klar, dass Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch darin ein Vorbild für die Aufgabenteilung zwischen Berlin und Bonn sah: "Zwei Könige damals, das ist fast so wie heute Bonn und Berlin. Insofern eine frühe Übung, zumal es sich in der Tat lohnt, den damals erreichten Kompromiss auf seine heutige Relevanz für die Funktionsfähigkeit des Berlin/Bonn-Gesetzes zu überprüfen." Lammert zog in seinem gut dreiviertelstündigen Festvortrag einen faszinierenden Bogen zwischen den Begebenheiten vor 700 Jahren und der Gegenwart und ordnete die Krönung in einen kulturhistorischen und europäischen Wertekontext ein.

In seiner unterhaltsamen Art schälte Lammert die Besonderheiten der modernen europäischen Zivilisationsentwicklung heraus - von der Erfindung des Bankenwesen über den Streit zwischen Kirche und Staat bis hin zum "mystischen Terrorismus". Und er baute weitere bedeutende Jahrestage in seine Gesamtbetrachtung ein: das Konzil von Konstanz vor genau 600 Jahren, in der die Einheit der Kirche wiederhergestellt und die Kirche reformiert werden sollte, über den Rastatter Frieden, der den spanischen Erbfolgekrieg beendete, bis hin zu den Jahrestagen, derer in diesem Jahr gedacht wurde - insbesondere den Fall der Mauer vor 25 Jahren, für Lammert der Beginn der großen Systemtransformation in Europa.

Besonders aber hob Lammert einen Jahrestag hervor: den 29. November 1949. Damals wurde Bonn vom Bundestag zur provisorischen Hauptstadt gewählt. "Dieses Datum ist so bedeutsam, weil es danach ein halbes Jahrhundert Bonn und die ganze Republik geprägt hat", so Lammert, der zu den "erstaunlichsten Erfahrung" zählte, dass der Wechsel von Bonn nach Berlin "so spurlos" vonstatten ging. Lammert: "Heute findet die Bonner Republik auf Berliner Bühnen statt. Gespielt wird aber immer noch das Bonner Stück. Und darauf darf diese Stadt stolz sein - das Land aber auch."

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