Giftcocktail-Prozess in Bonn Lebenslang gefordert - Anwälte beantragen Freispruch

BONN · Dem Mann auf der Anklagebank wird vorgeworfen, seine 85-jährige Mutter Anfang Januar über Tage hinweg im Krankenhaus mit Medikamentencocktails vergiftet zu haben, und Staatsanwältin Henrike Baumgarten hatte am Donnerstag keinen Zweifel. Der 54-Jährige ist des heimtückischen Mordes schuldig.

 Der 54-jährige Angeklagte am ersten Prozesstag im Gespräch mit einem seiner Anwälte.

Der 54-jährige Angeklagte am ersten Prozesstag im Gespräch mit einem seiner Anwälte.

Foto: Roland Kohls

Sie beantragte für den fünffachen Familienvater, der sich bis zuletzt fälschlich als Arzt ausgab und privat und beruflich auf ganzer Linie scheiterte, eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Für Baumgarten steht fest: Auch wenn das Motiv für das Verbrechen nicht habe geklärt werden können, so sei doch eines ganz klar: Der Angeklagte habe das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt, denn er habe die Arg- und Wehrlosigkeit seiner Mutter ausgenutzt, als er ihr immer wieder die am Ende tödlichen Cocktails eingeflößt habe.

Dass er der Täter war, ist für die Anklägerin bewiesen: Der 54-Jährige sei von Pflegekräften im Krankenhaus und der Bettnachbarin dabei beobachtet worden, wie er der Mutter aus einer Schnabeltasse Getränke eingeflößt habe und mit Yoghurt und Babynahrung an ihrem Bett stand, selbst als die Mutter schon nicht mehr ansprechbar war. Nach seinen Besuchen sei es der 85-Jährigen stetig schlechter gegangen. Für die Ärzte war der Zustand der Patientin ein Rätsel.

Als die 85-Jährige nach dem letzten Besuch ihres Sohnes am 10. Januar in der Nacht zum 12. Januar starb, schaltete das Krankenhaus die Kripo ein. Die Obduktion und Untersuchungen von vor dem Tod der Frau entnommenen Blutproben ergaben: Sie starb infolge tödlicher Dosen sedierender Medikamente, die am Ende zum Atemstillstand führten.

Und bei einer Hausdurchsuchung beim Angeklagten fanden Polizisten die Medikamente und eine Schnabeltasse mit seiner DNA und Spuren der fraglichen Mittel. Als weiteres Indiz für die Schuld des Angeklagten, der von seinen Eltern zur ersten seiner drei Hochzeiten eine Wohnung und Aktien im Wert von 300.000 Mark erhielt, wertet die Staatsanwältin die vielen Widersprüche in den Aussagen des Mannes.

So habe er seine Mutter als eine gebrechliche und lebensmüde Frau beschrieben - im Gegensatz zu allen anderen Zeugen, die übereinstimmend von einer lebens- und unternehmenslustigen, fitten Frau mit Plänen sprachen. "Fröhlich und guter Dinge ging sie noch zu einer Silvesterfeier", sagte die Anklägerin. Doch am nächsten Tag fiel die 85-Jährige beim Besuch ihres Sohnes in einen unerklärlichen Dämmerzustand und kam ins Krankenhaus.

Außerdem habe er öfter als zugegeben die fraglichen Tabletten von einem Dealer gekauft. Die Staatsanwältin betonte: "Es gibt keine Hinweise, dass jemand anderes die Frau vergiftet hat. Er war der einzige, der sie besuchte." Die Verteidigung hingegen forderte Freispruch und erklärte: Ihr Mandant habe kein Motiv, im Gegenteil.

Die Mutter, die ihre Enkelin als Alleinerbin bestimmt hatte, habe den mittellosen Angeklagten unterstützt: "Warum also sollte er die Frau töten, wenn sie ihm lebend nützte?" Das Problem sei, dass sich das anfänglich negative Bild des Angeklagten von einem Mann, der seine Mutter finanziell ruiniert, über seinen Beruf getäuscht habe und dem Missbrauch der eigenen Tochter vorgeworfen worden sei, zu sehr festgesetzt habe. In seinem letzten Wort erklärte der 54-Jährige: "Ich habe nichts gemacht, was zum Tod meiner Mutter geführt hat."

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