Berührende letzte Momente Bonn Lighthouse betreuen sterbende Behinderte

BONN · Monika Holstein ist, das betont sie, ein ganz normaler Mensch. "Beruflich eingespannt, alleinerziehend, Kind und Kegel sozusagen. Ich lache viel und gerne und liebe das Leben." Und: Sie begleitet ehrenamtlich Menschen, die sterben. Dazu noch Menschen, die ihr Leben lang behindert waren, die sich zum Teil kaum artikulieren können.

 Monika Holstein sitzt mit einer von Bonn Lighthouse betreuten Frau zusammen und unterhält sich mit ihr.

Monika Holstein sitzt mit einer von Bonn Lighthouse betreuten Frau zusammen und unterhält sich mit ihr.

Foto: Barbara Frommann

"Ich empfinde dabei große Dankbarkeit. Es braucht keine übermenschlichen Qualitäten, ein solches Ehrenamt auszuüben. Und es schenkt immer mehr, als man je dort geben kann. Denn wir werden gebraucht", sagt Holstein, die beruflich in der Denkmalpflege tätig ist. Und dann berichtet sie über ihre erste Sterbebegleitung. Im Heim für geistig Behinderte habe eine Frau mit Downsyndrom auf sie gewartet, die "in einer ganz eigenen Umnachtung" lag. Wenn die Frau sich noch mal aufraffen konnte, fuhr sie manchmal in die Behindertenwerkstatt arbeiten. Doch bald baute sie spürbar ab, sodass Holstein und eine andere Ehrenamtliche des Ambulanten Hospizdienstes bei Bonn Lighthouse sie im Wechsel täglich besuchten. "Die Tür war immer offen, sie war nie wirklich allein. Eine besondere und sehr berührende Erfahrung," schildert Holstein die gute Atmosphäre im Heim. Selbst das Team der Lebenshilfe, das die Frau über Jahrzehnte begleitet hatte, habe getrauert und gebangt. Das Wichtigste sei gewesen: Die Frau habe hier, wo sie ein Leben lang zu Hause war, auch sterben können.

Doch wie war mit einer so umnachteten Frau überhaupt Kontakt aufzunehmen? Monika Holstein erzählt von der einen Sommer währenden Begleitung regelrecht wehmütig. "Lange Spaziergänge über den Acker, ich sang und erzählte, ich schwieg und teilte die Stille, die sie schon lange umfing." Bei Regen las sie ihr vor, betrachtete mit ihr Fotos, erzählte, was sie sah. "Wie sie auf diesen Bildern noch lachte, mit lustigen Hüten, mit der Gruppe in der Sommerfrische am Meer oder mit den Eltern ganz früher." Sie habe der Frau von sich selbst erzählt, von ihrem Hund und von Afrika. "Da wollte sie ihr Leben lang hin. Und nicht immer nach Holland." Bis die Frau ging, am 11. Dezember, still und ganz früh am Morgen, "die Welt war noch lautlos und sie war allein", blieben sie und die andere Ehrenamtliche an der Seite der Frau.

Abschiednehmen - noch immer berühre es. Holstein, selbst Autorin, hat ihre Erfahrungen bewegend niedergeschrieben. Denn die Sterbende hatte sich auf eine sehr eigene Weise längst in ihr Herz geschlichen. Holstein widmete ihr den Text und gab ihn ihr bei der Bestattung mit. "Fünf Monate haben wir verbracht, einen Sommer, Sonnenblumen gepflückt, vorgelesen, viel und schräg gesungen. Nie ein Sterbenswort gewechselt. Kaum einen Blick ausgetauscht, es war eher ein gemeinsames Gucken in ähnliche Horizonte", schreibt Holstein. Jedenfalls habe sie das immer gehofft, dass es das auch für die andere war. Sie hatte mit der Kranken das große Schweigen geteilt - "erstaunlich leicht, das zu tun". Jetzt wolle sie den GA-Lesern mitteilen: "Jeder kann das." Jeder, der mitten im Leben stehe. Und dann summt sie noch das Stück "Over the Rainbow" von Keith Jarrett, das sie gerade in den letzten Tagen dieser Einzelbetreuung begleitet habe.

Kontakt unter www.bonn-lighthouse.de

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