Interview mit Peter Weckenbrock "Eine sehr sportliche Herausforderung"

BONN · Seit sechs Monaten steht Peter Weckenbrock als Vorsitzender der Geschäftsführung an der Spitze der Stadtwerke Bonn. Über die Energiewende, Gewinnvorstellung der Stadtverwaltung, Fehler der Vergangenheit und Herausforderungen der Zukunft sprach er mit Andreas Baumann, Johanna Heinz und Lisa Inhoffen.

In den Ausschüttungswünschen der Stadt Bonn sieht Weckenbrock eine Aufgabe für alle 2300 Mitarbeiter des Unternehmens.

In den Ausschüttungswünschen der Stadt Bonn sieht Weckenbrock eine Aufgabe für alle 2300 Mitarbeiter des Unternehmens.

Foto: Barbara Frommann

Herr Weckenbrock, wie haben Sie sich in die neue Rolle eingefunden?
Peter Weckenbrock: Es waren ja nicht meine ersten sechs Monate im Konzern. Insofern habe ich einen Anlauf von zehn Jahren genommen. Das ist deutlich einfacher, als von außen zu kommen. Die neuen Aufgaben sind genau wie vorher betriebswirtschaftliche, das Unternehmen steuernde Aufgaben. Neu ist nur, dass ich jetzt konzernweit, das heißt ganzheitlich, auf alle Bereiche der Stadtwerke Bonn blicke.

Hat sich das Verhältnis zu den Mitarbeitern verändert?
Weckenbrock: Nein. Mein Führungsstil hat sich nicht geändert.

Und wie ist der?
Weckenbrock: Kooperativ und teamorientiert.

Wie klappt denn der Rollentausch mit Heinz Jürgen Reining? Sie waren vorher sein Untergebener, jetzt sind Sie der Chef ...Weckenbrock: Ich war weder sein Untergebener, noch fühle ich mich heute als sein Chef. Er ist Kollege in der Konzerngeschäftsführung, er ist gleichzeitig Geschäftsführer der Spartengesellschaft SWB Bus und Bahn, wie ich gleichzeitig Geschäftsführer der Spartengesellschaft SWB Energie und Wasser bin. Von vertauschten Rollen zu sprechen, ist verfehlt und der ganz falsche Ansatz.

Das hat der gerade wiedergewählte Aufsichtsratvorsitzende Klaus-Peter Gilles aber anders dargestellt. Mit der Neustrukturierung der Konzernspitze soll doch der Vorsitzende der Geschäftsführung für alles verantwortlich sein, oder nicht?
Weckenbrock: Damit ist gemeint, dass ein deutlich größerer steuernder, insbesondere ergebnisoptimierender Einfluss notwendig ist. Auch wenn die Gesellschaften handelsrechtlich eigenständig agieren, fließen am Ende doch alle betriebswirtschaftlichen Ergebnisse in der Holding zusammen. An der Stelle gibt es eine Erwartungshaltung der Alleingesellschafterin der SWB, der Bundesstadt Bonn, hinsichtlich des Leistungsumfangs, der Qualität und des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses. Im Moment nehme ich wahr, dass der Fokus vor allem auf dem Letzteren liegt. Um das zu erreichen, ist eine einheitliche Steuerung unabdingbar.

Man könnte es auch so interpretieren, dass die wirtschaftliche Steuerung in der Vergangenheit nicht immer optimal war. Ein Beispiel ist der verlustreiche Betriebsführungsvertrag des Wahnbachtalsperrenverbands. Erst vor Kurzem hat man sich geeinigt, dort auszusteigen. Ein weiteres Beispiel ist die jetzt erfolgte Erhöhung der SWB-Anteile an der Bonner City-Parkraum GmbH, durch die sich Steuern in Höhe von bis zu 300 000 Euro pro Jahr sparen lassen. Warum ist das so spät passiert?
Weckenbrock: Warum das so spät passiert ist, kann ich nicht beantworten. Aber es wurde jetzt umgesetzt. Beim Wahnbachtalsperrenverband hat man Zielvorstellungen in einer Partnerschaft gehabt, die sich nicht haben abbilden lassen. Es kommt vor, dass sich Geschäfte nicht so entwickeln, wie man am Anfang geplant hat. Unangenehm wird es, wenn sich zu viele Geschäfte zu negativ entwickeln. Aber meine Aufgabe ist es nicht, den Stab über die Vergangenheit zu brechen. Meine Aufgabe ist ganz klar, die Dinge nach vorne zu entwickeln. Es gibt Beispiele, die in den vergangenen Monaten erfolgreich umgesetzt wurden. Neben dem Thema Bonner City-Parkraum ist das unternehmensintern auch die Bildung einer großen Netzgesellschaft oder die Übernahme der Stromnetze von RWE in Beuel und Bad Godesberg zum 1. Januar 2015. Das alles ist leise über die Bühne gegangen. Ich bin ein Fan von leise, von unaufgeregt, von gründlich, transparent und strukturiert.

Wie realistisch sind die Erwartungen der Eigentümerin Stadt Bonn, dass Sie in einigen Jahren fünf Millionen Euro ausschütten können?
Weckenbrock: Wenn das einfach wäre, wäre es längst passiert. Es ist anspruchsvoll und es wird das Ergebnis einer Gemeinschaftsleistung von 2300 Mitarbeitern im Konzern sein.

Wie soll das erreicht werden?
Weckenbrock: Indem wir daran arbeiten, die Erlöse zu erhöhen und abfließendes Geld im Konzern zu halten. Und indem wir über die Menge und Qualität der Leistungen nachdenken - bis hin zur Frage, ob Kosten, auch konzernstrukturelle, immer sein müssen. Es gibt an unserem Standort Bonn Geld, das wir verdienen können.

Zum Beispiel?
Weckenbrock: Die Netze in Beuel und Bad Godesberg sind ein gutes Beispiel. Die Erträge aus dem Netzbetrieb sind früher woandershin geflossen. Es gibt viele andere Dienstleistungen die auf Bonner Stadtgebiet noch von außerhalb erbracht werden, aber auch für uns interessant sind. Außerdem können wir die Stadtwerke Bonn auch im steuerlichen Querverbund weiter optimieren.

Dann werden Sie wohl auch über die verlustreiche Beteiligung an dem neuen Kraftwerk in Hamm diskutieren, oder?
Weckenbrock: Ja, wir diskutieren über Hamm, aber Hamm ist nicht verlustreich. Diese Kraftwerksbeteiligung hat ihr Geld bereits verdient, weil sie bis einschließlich 2014 aus Sicht der Stadtwerke Bonn mehr Geld ausgeschüttet hat, als sie uns gekostet hat. Wir haben deutlich weniger als zwei Millionen Euro investiert und die Rückflüsse lagen bei fast drei Millionen Euro. Nur im Moment verdient das Kraftwerk kein Geld. Man kann Investitionen in solche Projekte aber nicht allein mit einer Stichtagsbetrachtung bewerten. Es ist jetzt unsere Aufgabe zu entscheiden: Wie gehen wir perspektivisch mit der aktuellen Situation um.

Da wäre es schön, wenn die SWB die Anteile an der Tochter "Energie und Wasser" wieder zurückholen könnten, die im Moment beim Rhein-Sieg-Kreis und Troisdorf liegen. Es gab vor zwei Jahren ein Kaufangebot. Der damalige Landrat hatte kein Interesse. Jetzt gibt es einen neuen Landrat. Haben Sie einen neuen Versuch gestartet ?
Weckenbrock: Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis arbeiten in vielen Feldern kooperativ und konstruktiv zusammen. Die Beteiligung von Rhein-Sieg-Kreis und Troisdorf an unserer Energiegesellschaft ist nur ein Teilaspekt. Aber konkrete Verhandlungen zum Rückkauf der Anteile gibt es derzeit nicht, zumal auch die gesamte Region mit den weiteren Akteuren wie Rhenag und Rhein-Energie immer mit zu betrachten ist.

Was für Herausforderungen bringt die Energiewende insgesamt für das Unternehmen mit sich?
Weckenbrock: Das Thema Energiewende ist für uns seit Mitte der 90er Jahre ein Thema. Da bedurfte es keiner Ereignisse wie Fukushima oder gesetzlicher Vorgaben. Wir haben in diesem Bereich schon sehr viel getan. In unserem Strommix haben wir heute einen Anteil an erneuerbaren Energien von 56 Prozent. Das ist bundesweit ein Spitzenwert.

Wenn nicht die Energiewende, was wäre dann eine Herausforderung?
Weckenbrock: Die von der Stadt angepeilten fünf Millionen Euro Ergebnis pro Jahr sind eine sehr sportliche Herausforderung.

Wann wird die schwarze Null zum ersten Mal erreicht?
Weckenbrock: Wenn wir 2018 zwei Millionen Euro ausschütten sollen, dann wird die schwarze Null deutlich vorher angepeilt. Die Frage ist: Bei einem Konzern, der 500 Millionen Euro Umsatz macht, lässt man ein Minus von einer Million auch noch als schwarze Null durchgehen? An dieser Untergrenze sind wir schon. Im letzten Geschäftsjahr waren wir dicht an der schwarzen Null. Wir hatten Sondereffekte durch die Bildung von zwingend notwendigen Rückstellungen und diese Rückstellungen entsprachen ziemlich genau der Höhe des negativen Ergebnisses von 4,8 Millionen Euro.

Bei der genannten Rückstellung geht es um den Verkehrsbetrieb in Siegen, den die Nahverkehrsgesellschaft SWB Bus und Bahn 2005 als Tochterbetrieb übernommen und 2009 wieder verkauft hat. Wie ist der Stand der Dinge?
Weckenbrock: Da ist im Moment kein unmittelbares unternehmerisches Handeln mehr möglich. Wir haben das Risiko erkannt, das Risiko bewertet und eine Rückstellung gebildet.

Warum schließt man solche Verträge ab?
Weckenbrock: Die Frage kann ich nicht beantworten. Ich könnte nur spekulieren. Ich habe die Verträge erst im Nachhinein kennengelernt.

Da standen Ihnen wahrscheinlich die Haare zu Berge...
Weckenbrock: Haben Sie noch nie eine Handtasche gekauft und hinterher gesagt: Die gefällt mir jetzt nicht mehr?

Das war aber dann mein eigenes Geld, das ich ausgegeben habe.
Weckenbrock: Ich bin als vorsichtiger Kaufmann risikoscheu. Ich versuche Dinge nur zu machen, wenn ich sie auch verstehe. Und insofern ist es für mich schwierig nachzuvollziehen, wie diese Situation vor zehn Jahren vertraglich fixiert werden konnte. Man hat ein Geschäft machen wollen, das war die gute Absicht, aber die Situation ist heute, aus der Rückbetrachtung, eine andere.

Können Sie versprechen, dass es solche Verträge in Zukunft nicht mehr geben wird?
Weckenbrock: Kann man so ein Versprechen abgeben? Seriös nicht, oder? Was ich versprechen kann ist, dass wir mit einem Höchstmaß an Sorgfalt, an Transparenz, an Vorsorge an die Sachen herangehen. Aber das wird nicht verhindern, dass auch Fehler gemacht werden.

Sie hatten angekündigt, dass die Netzentgelte und damit auch die Strompreise im kommenden Jahr sinken werden. Können Sie inzwischen beziffern, wie stark?
Weckenbrock: Da müssen Sie bei der Bundesnetzagentur anrufen. Wir warten auf die letzten konkreten Zahlen.

Zum Thema Verkehr: In den vergangenen Wochen haben sich viele Leser bei uns gemeldet, die sagen: Auf bestimmten Strecken könne man sich nicht darauf verlassen, dass der Bus oder die Bahn kommt. Wie sehen Sie diese Kritik?
Weckenbrock: Mein Eindruck ist, dass sich aufgrund von Baustellen eine komplexe Situation ergeben hat, die wir ganz gut überstanden haben, gleichwohl nicht immer zur Zufriedenheit der Menschen. Wobei sie meiner Einschätzung nach inzwischen wieder steigt.

Woran machen Sie das fest?
Weckenbrock: Die Beschwerdewelle ebbt bei uns wieder ab.

Wie sieht es denn insgesamt mit der Beschwerdequote aus?
Weckenbrock: Hier sind wir auf einem guten Weg, aber für konkrete Angaben würde ich Sie an den Spartengeschäftsführer für den Bereich SWB Bus und Bahn verweisen wollen. Was das operative Geschäft angeht, wäre dieser der richtige Ansprechpartner.

Ist es realistisch, die heutige Takt- und Netzdichte zu halten?
Weckenbrock: Alle Teilbereiche werden ihren Beitrag zur Konsolidierung des Konzerns hin zu einer echten Ausschüttung an die Stadt Bonn leisten müssen, sonst geht es nicht. Wenn es uns gelingen sollte, die Ziele anders zu erreichen, werden wir das tun.

Warum steigen die Verluste im ÖPNV, zumindest laut Prognose der Stadt, weiter an? In den Haushaltspapieren ist die Rede von 1,4 Millionen Euro pro Jahr in den kommenden drei Jahren.
Weckenbrock: Es ist sicherlich so, dass steigende Personalkosten durch Tarifabschlüsse und auf der anderen Seite aber auch gestiegene Abschreibungen eine Rolle spielen. Außerdem führt die besondere Art der Einnahmeaufteilung im Verkehrsverbund Rhein-Sieg dazu, dass trotz steigender Fahrgastzahlen der Anteil an den Einnahmen für SWB Bus und Bahn sinkt.

Um die Konzerngeschäftsführung gab es einen langen, auch öffentlich geführten Machtkampf. Wie gut hat das Unternehmen diese Phase verkraftet?
Weckenbrock: Unsere Ergebnisse sprechen für sich. Die Kolleginnen und Kollegen konzentrieren sich auf ihre Aufgaben, auf unsere Kunden und die Herausforderungen in den jeweiligen Märkten.

Zur Person

Peter Weckenbrock (57) ist seit Juli Chef des stadteigenen SWB-Konzerns. Seit Juni 2004 ist er Geschäftsführer der SWB Energie und Wasser (EnW). Davor war der Diplom-Ingenieur Geschäftsleiter der Rhenag in Siegburg und Geschäftsführer der Gasversorgung Sachsen Ost GmbH in Dresden. Weckenbrock ist verheiratet, hat einen erwachsenen Sohn und lebt in Köln.

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