Nach dem Notruf Bonner Polizei brauchte 28 Minuten bis zum Tatort

Beuel · Nachbarn haben einen Einbrecher ertappt und dann versucht, den Mann aufzuhalten. Die Behörde spricht von einer Ausnahmesituation.

Als Patrick Bell (23) nachts nach Hause kam, regte sich sofort sein Misstrauen. Vor einer Doppelhaushälfte am Frankenweg in Beuel sah der Student einen dunkel gekleideten Mann mit Rucksack, der so tat, als würde er sich eine Zigarette drehen. Es war 1.48 Uhr in der Nacht zum vergangenen Samstag.

Bell betrat sein Elternhaus, weckte seinen Zwillingsbruder und seinen Vater. Sie wählten den Polizeinotruf, weil sie völlig richtig vermuteten, dass die verdächtige Gestalt ein Einbrecher sein könnte. Dann gingen sie nach draußen.

"Der Fremde stand in der geöffneten Haustür, als wir kamen", berichtet Bells Vater Jürgen (68). Die drei Männer bauten sich vor dem Verdächtigen auf und verwickelten ihn in ein Gespräch, während die Hausbewohner drinnen ahnungslos schliefen. "Bei allen Nachfragen blieb der ganz gelassen", sagt Jürgen Bell.

"Er behauptete, nach dem Rechten sehen zu wollen, weil die Haustür angeblich offen stand." Etwa 15 Minuten sei es gelungen, den Mann aufzuhalten - aber die Polizei kam und kam nicht. Als nach 28 Minuten ein Streifenwagen eintraf, war der Verdächtige weg.

Später stellte sich heraus: Der mittlerweile gefasste 20-Jährige war in die Garage eingedrungen, hatte den versteckten Türschlüssel gefunden und sich Einlass ins Wohnhaus verschafft. In der Küche nahm er offenbar eine Handtasche und drei Geldbörsen mit, die später im Flur gefunden wurden. Er hatte wohl alles fallen lassen, als die Nachbarn ihn störten.

"Als ich die Treppe herunterkam, war ich völlig überrascht, dass die Polizei im Haus stand", erzählt Einbruchsopfer Ursel Wirtz (47). "Wir hatten im Schlafzimmer nichts mitbekommen." Was sie im Nachhinein beunruhigt: Der Gedanke, dass der Einbrecher nur wenige Meter von ihrem Sohn (14) entfernt war, der allein im Erdgeschoss schlief. "Wir sind echt dankbar, dass unsere Nachbarn so wachsam waren."

Die Polizei bestätigt das verspätete Eintreffen am Tatort. Es habe gleichzeitig drei weitere Einsätze gegeben, erläutert Behördensprecher Robert Scholten: einen Einbruch in Oberpleis, einen Verdacht auf Einbruch in einem Tannenbuscher Markt und einen Fall von häuslicher Gewalt in Bonn. "Das war eine Ausnahmesituation mit einer Verkettung unglücklicher Umstände", so Scholten.

Den Verdächtigen erwischte die Polizei später in der Nacht doch noch, weil er offenkundig einen weiteren Einbruch versucht hatte. Um 4.45 Uhr rief die Kripo bei den Bells an und bat die beiden Söhne ins Präsidium. Dort identifizierten sie den 20-Jährigen, den sie wenige Stunden zuvor gestellt hatten, anhand eines Fotos. Inzwischen hat er nach Polizeiangaben gestanden, ist aber auf freiem Fuß, weil keine Haftgründe vorliegen. Der Bonner ist nach GA-Informationen einschlägig vorbestraft.

Jürgen Bell und seine Söhne bekamen von einem Beamten den Tipp, sich lieber keinem Einbrecher mehr in den Weg zu stellen. Das Risiko sei einfach zu groß. Das kann der 68-Jährige verstehen. Keinerlei Verständnis hat er dagegen für die Personalprobleme der Polizei. "Die Beamten können ja nichts dafür", sagt der Beueler. "Aber ich fühle mich als Bürger nicht ausreichend geschützt."

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