Ausstellung im jüdischen Lehrhaus Einblicke in eine einzigartige Anstalt

OBERKASSEL · Die israelitische Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Gemütskranke in Bendorf-Sayn war einzigartig in Deutschland. Dazu gibt es jetzt im kleinen jüdischen Lehrhaus noch bis zum 31. Mai eine Ausstellung.

 Gabriele Wasser vom kleinen jüdischen Lehrhaus in der Ausstellung mit Dietrich Schabow.

Gabriele Wasser vom kleinen jüdischen Lehrhaus in der Ausstellung mit Dietrich Schabow.

Foto: Nicolas Ottersbach

"Zwar gab es viele allgemeine medizinische Einrichtungen für Juden, aber nur diese mit so einer Spezialisierung", sagt Dietrich Schabow. Er hat sich in den vergangenen Jahrzehnten mit der "Jacoby'schen Anstalt", die nach ihrem Gründer Meier Jacoby benannt war, beschäftigt.

Jacoby argumentierte 1869 in seinem Antrag für die Konzession der jüdischen Anstalt, dass "in streng jüdischen Häusern aufgewachsene Nervenkranke nur mit Widerwillen nicht koschere Kost genießen, dass sie solche Nahrung wohl ganz verweigern oder sich durch den Genuss der Speisen zu versündigen glauben, dass sie namentlich von weniger gebildeten Patienten und Wärtern wegen ihres Glaubens gehänselt" wurden.

Jacoby nahm zuerst nur wenige Patienten in sein Wohnhaus auf und beauftragte einen Bendorfer Arzt mit ihrer Betreuung. Bis 1890 waren es schon über Hundert Patienten, was auch daran lag, dass Jacoby ein neues Gelände erworben hatte.

Der Nationalsozialismus veränderte nach und nach die einst hoch angesehene Heilanstalt. In einem Runderlass von 1940 durften nur noch "geisteskranke Juden" dort aufgenommen werden.

"Das diente dazu, die Patienten an einem Ort zu sammeln und so die Deportation vorzubereiten", erklärt Schabow. In fünf Transporten brachten die Nazis zwischen März und November 1942 573 Menschen in Konzentrationslager.

Über hundert Juden starben zwischen 1940 und 1942 und wurden auf dem Sayner Judenfriedhof beigesetzt. Diese Ruhestätten konnten nicht mit einem Grabstein versehen werden, dennoch ist ihre Lage auf Grund alter Planskizzen bekannt.

Einige wurden nachträglich von Angehörigen mit Gedenksteinen versehen. 2002 wurde ein Mahnmal für die deportierten Juden errichtet. Die beiden Hauptgebäude der Jacoby'schen Anstalt prägen noch heute das Ortsbild. Seit 1999 ist die Josefs-Gesellschaft Eigentümerin des Grundstücks, die katholischer Träger von Altenheimen, Krankenhäusern und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen ist.

Ein Buch über die Heil- und Pflegeanstalten für Nerven- und Gemütskranke gibt es im Museum von Schloss Sayn zu kaufen. Infos unter der Telefonnummer 02622/90240.

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