Kirchen und ihre Schätze Eine Orgel, die zu kräftig klingt

GEISLAR · Fast am nördlichsten Punkt von Geislar-Ort und fast auf der höchsten Erhebung steht die Pfarrkirche St. Joseph in Geislar. Egal von welcher Seite man sich Geislar nähert, die Kirche beziehungsweise der Kirchturm ist nicht zu übersehen.

 Auch wenn die Orgel eigentlich für St. Joseph überdimensioniert ist, freuen sich (von links) Hans-Josef Müller, Michael Dörr und Andreas Immekeppel, dass sie diesen Schatz in Geislar haben.

Auch wenn die Orgel eigentlich für St. Joseph überdimensioniert ist, freuen sich (von links) Hans-Josef Müller, Michael Dörr und Andreas Immekeppel, dass sie diesen Schatz in Geislar haben.

Foto: Max Malsch

Obwohl diese Kirche erst am 15. September 1901 eingeweiht wurde, hat sie schon eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Von der Kapelle zur Kirche, könnte man sagen. Oder: über den Umbau von Ost nach West. Man könnte auch über eine Übungseinheit für den Kölner Dom berichten. Doch der Reihe nach.

Einem Bauverein ist es zu verdanken, dass 1901 eine Kapelle im Oberdorf in Geislar errichtet worden ist - ohne Baugenehmigung. "Die Einwohner von Geislar waren es, die für die “Kirche im Dorf„ gesorgt hatten", schrieb Kardinal Meisner zum 100-jährigen Jubiläum. Sonntags konnte ein Gottesdienst unter der Leitung von auswärtigen Geistlichen abgehalten werden. Dr. phil. Johannes Baguette (1869-1947) wurde 1906 zum ersten Geistlichen der Kapelle ernannt - inzwischen war der Bau nachträglich genehmigt worden. Nach ihm und nicht nach einem französischen Brot wurde dann auch die Straße unterhalb der Kirche benannt.

Die Kapelle war in Ost-West-Richtung mit Altar gen Osten erbaut worden. "Alte Kirchen sind immer geostet - aufgehende Sonne, Christus der Auferstandene", erklärt Pfarrvikar Michael Dörr. Der Beschluss von 1926, die Kapelle zu einer Kirche auszubauen, fand 1930 seinen Abschluss. Dabei wurde sie durch den Anbau von Querhaus, Chor (Altarraum), Turm und Sakristei zu einer Kirche vergrößert. Der Altar stand nun gen Westen gerichtet. Der Chor wurde zum Haupteingang umgebaut, eine Bühne für die Orgel wurde eingezogen. Die unterschiedlichen Stile - Neugotik in der ehemaligen Kapelle, Expressionismus im Erweiterungsbau - passen dennoch sehr gut zusammen und stellen keinen Stilbruch dar.

Von der alten Kapelle zeugen noch zwei Löcher in der Decke, durch die früher die Glockenseile liefen. Das Fächergewölbe des Erweiterungsbaus wurde zwischen 1970 und 1972 bei einer großen Renovierung der Kirche, bei der auch der Chor um den Altar neu gestaltet wurde, durch eine gefaltete Holzdecke, im Volksmund "Eierkarton" genannt, ersetzt.

So harmonisch die Gestaltung aussieht, der wahre Schatz dieser Kirche ist ihre Orgel, die 1997 von der Bonner Orgelbaufirma Klais eingebaut wurde. Andreas Immekeppel, Küster und Kirchenmusiker, ist derjenige, der darauf spielen darf. "Die Voraussetzung, dass man Orgel spielen kann, ist, dass man seine vier Gliedmaßen gut unabhängig voneinander bewegen kann", erklärt er. Er hatte jeden Tag sechs Stunden nach der Schule üben dürfen. Im Gregorius Haus in Aachen, der katholischen Hochschule für Kirchenmusik, hatte er nach seiner Schulzeit "Orgel" studiert. Die Orgel in Geislar funktioniert voll mechanisch. "Das einzig elektronische ist der Liedanzeiger", sagt er schmunzelnd. Computergesteuerte Spielhilfen kennt er nur vom Studium her, seine Orgel hat das nicht.

Stundenlang kann er über den Orgelbau referieren, über Pfeifentürme, über die Erwärmung von Pfeifen, über die Geschichte des Orgelbaus, über die Anzahl von Pfeifen (immer eine ungerade Anzahl) und über sprechende oder stumme Pfeifen. Nur aus den sprechenden Pfeifen kommen Töne, die stummen sind nur schmückendes Beiwerk. "Diese Orgel", so Immekeppel, "war die Fingerübung für die Kölner Domorgel." Die Orgel in Geislar, so referiert er, ist für den Raum völlig falsch gebaut. Die Pfeifen hier sind für einen sehr kräftigen Klang ausgelegt, den man braucht, wenn man einen großen Raum füllen muss. Was dazu führt, dass er die Klangschönheit seiner Orgel nicht immer ausspielen kann, weil es zu laut würde. Doch genau diese Bauart ist dann im Kölner Dom in die "Schwalbennestorgel" von Klais gebaut worden, was ihm ein Intonateur von Klais bei einer Inspektion erklärte.

So hat die St. Joseph Kirche in Geislar nicht nur eine wunderschön anzusehende Orgel - dank Symmetrie und dank stummer Pfeifen - sie hat auch eine Orgel, die wunderschön klingt und die man dennoch als Organist nicht vollständig ausspielen kann.

St. Joseph - 1901 ohne Genehmigung erbaut

1901 wurde die Kapelle, zunächst ohne Genehmigung erbaut, am heutigen Standort der Kirche in der Oberdorfstraße in Geislar eingeweiht. Erster ständig in Geislar amtierender Geistlicher war Dr. phil. Johannes Baguette. 1930 wurde die Kapelle zur heutigen Kirche erweitert. Zwischen 1970 und 1972 wurde die Kirche vollständig renoviert. Die heutige großartige Orgel wurde 1997 von der Bonner Orgelbaufirma Klais eingebaut. Organist und Kirchenmusiker sowie Küster ist der studierte Kirchenmusiker Andreas Immekeppel. Michael Dörr ist seit 13 Jahren Pfarrvikar der Gemeinde. 2001 erschien eine Festschrift zum 100. Weihetag der Kirche, die Hans-Josef Müller, der damals stellvertretende Vorsitzende des Kirchenvorstandes, mit herausgegeben hat. Er ist derjenige, der am meisten über diese Kirche weiß.

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